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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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daß Fragmente von allen meinen drei Datenblöcken verstreut vorhanden sind, wild durcheinander und neben Fragmenten alter, toter Blöcke, die ich lange vorher gelöscht und vergessen hatte. Jedes gegebene Fragment kann, Wort für Wort dasselbe oder mit kleineren Unterschieden, an einem halben Dutzend verschiedener Stellen überall auf der Platte auftauchen.
    Der Grund hierfür ist interessant und eine Abschweifung wert, weil er eine gute genetische Analogie liefert. Wenn ich einem Computer sage, er solle einen Block löschen, so scheint er mir zu gehorchen. Aber er wischt den Inhalt jenes Datenblocks nicht tatsächlich weg. Er wischt lediglich alle Hinweise auf jenen Block weg. Es ist, als ob ein Bibliothekar, dem man die Anweisung gegeben hat, das Buch Lady Chatterley zu beseitigen, einfach die Leihkarte in der Bibliothekskartei zerrisse, aber das Buch selber im Regal ließe. Für den Computer ist das eine ganz und gar ökonomische Art und Weise, die Dinge zu erledigen, weil der Raum, der zuvor vom »gelöschten« Block besetzt war, automatisch für neue Daten frei wird, sobald die Hinweise auf die alten Daten entfernt worden sind. Es wäre wirklich verschwendete Zeit, wollte er sich die Mühe machen, den Raum selbst mit Leerstellen anzufüllen. Der alte Block selbst geht erst dann völlig verloren, wenn sein gesamter Raum zufällig für das Speichern neuer Blöcke benutzt worden ist.
    Doch diese Neuverwendung von Raum geschieht stückweise. Neue Blöcke haben nicht ganz exakt dieselbe Größe wie die alten. Wenn der Computer nun versucht, einen neuen Datenblock auf einer Platte zu speichern, so sucht er nach dem erstbesten verfügbaren bißchen Raum, schreibt so viel von den neuen Daten hinein, wie hineinpaßt, sieht sich dann nach einem weiteren verfügbaren Stückchen Platz um, schreibt ein bißchen mehr usw., bis der gesamte Datenblock irgendwo auf der Platte aufgeschrieben ist. Wir Menschen haben die Illusion, daß der Block eine einzige, klare Anordnung bildet, nur weil der Computer so sorgfältig ist, sich Unterlagen zu halten, die auf die Adressen all der überall verstreuten Fragmente »hinweisen«. Diese »Hinweise« sind wie die Verweise »Fortsetzung auf S. 94« in der New York Times. Wir finden viele Kopien jedes beliebigen Textfragments auf einer Platte, weil ich den Text aller Kapitel viele Dutzend Male schreibe und neu schreibe; jede Version hat zur Folge, daß die Platte (fast) denselben Text erneut speichert. Dieses Speichern kann scheinbar ein Speichern desselben Datensatzes sein. Aber wie wir gesehen haben, wird in Wirklichkeit der Text wiederholt über die verfügbaren Lücken auf der Platte verteilt. Somit können multiple Kopien eines gegebenen Textfragments überall auf der Oberfläche der Platte sitzen, um so eher, je älter und häufiger gebraucht sie ist.
    Nun ist das DNS-Betriebssystem einer Art tatsächlich sehr sehr alt, und es gibt Beweise dafür, daß es langfristig gesehen etwas tut, was ein bißchen dem ähnelt, was der Computer mit seinen Datenblöcken auf der Speicherplatte tut. Ein Teil dieses Beweismaterials stammt von dem faszinierenden Phänomen der »Introns« und »Exons«. Im letzten Jahrzehnt hat man entdeckt, daß jedes »einzelne« Gen, im Sinne einer einzelnen kontinuierlich abgelesenen Passage von DNS-Text, nicht vollständig an einem einzigen Platz gespeichert ist. Wenn man wirklich die Codebuchstaben liest, wie sie am Chromosom entlang vorkommen (d. h., wenn man etwas tut, das dem Ausbruch aus den Regeln des »Betriebssystems« entspricht), so findet man Fragmente von »Sinn«, Exons genannt, die unterbrochen sind von Teilen von »Unsinn«, Introns genannt. Jedes »Gen« im funktionalen Sinn ist in der Tat in eine Sequenz von Fragmenten (Exons) aufgespalten, die durch sinnlose Introns voneinander getrennt sind. Es ist, als endete jedes Exon mit einem Hinweis, »Fortsetzung auf S.94«. Ein komplettes Gen besteht dann aus einer ganzen Reihe von Exons, die tatsächlich nur dann zu einem Strang zusammengelesen werden, wenn sie schließlich einmal von dem »offiziellen« Betriebssystem in Proteine übersetzt werden.
    Weiteres Beweismaterial entstammt der Tatsache, daß die Chromosomen mit altem genetischem Text verunreinigt sind, der nicht länger benutzt wird, aber immer noch erkennbaren Sinn ergibt. Für einen Computerprogrammierer hat das Verteilungsmuster dieser Fragmente »genetischer Fossilien« erhebliche Anklänge an das Textmuster auf der Oberfläche einer alten

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