Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
um ihnen zu widerstehen. Pflanzenfresser sind Feinde der Pflanzen, und Pflanzen sind Feinde der Pflanzenfresser in dem Maße, als sie Dornen und giftige oder schlechtschmeckende Chemikalien produzieren.
Die Stammbäume von Tieren und Pflanzen werden im Verlauf der evolutionären Zeit den Veränderungen ihrer Feinde nicht weniger beharrlich »folgen« als den Veränderungen in den durchschnittlichen Wetterbedingungen. Evolutive Verbesserungen in den Waffen und Taktiken von Geparden sind vom Standpunkt der Gazellen aus gesehen wie eine stetige Verschlechterung des Klimas, und die Gazellen folgen ihnen in derselben Weise. Aber es besteht ein enorm wichtiger Unterschied zwischen beiden. Das Wetter verändert sich im Laufe der Jahrhunderte, doch es verändert sich nicht auf eine spezifisch feindselige Weise. Es legt es nicht darauf an, die Gazellen zu »erledigen«. Der durchschnittliche Gepard wird sich über die Jahrhunderte geradeso verändern, wie sich der mittlere jährliche Regenfall verändert. Aber während der mittlere jährliche Regenfall ohne besonderen Sinn und Zweck nach oben oder nach unten schwankt, wird der durchschnittliche Gepard im Verlauf der Jahrhunderte immer besser dafür ausgerüstet sein, Gazellen zu fangen, als seine Vorfahren. Denn die Aufeinanderfolge von Geparden, anders als die Aufeinanderfolge von jährlichen Wetterverhältnissen, ist selbst Gegenstand der kumulativen Selektion. Geparden werden zu größerer Schnelligkeit, schärferen Augen und besseren Zähnen tendieren. So »feindlich« das Wetter und andere unbelebte Bedingungen auch scheinen mögen, sie neigen nicht notwendigerweise dazu, stetig feindseliger zu werden. Lebende Feinde, auf der evolutionären Zeitskala gesehen, haben eben gerade diese Tendenz.
Die Tendenz, daß Fleischfresser fortschreitend »besser« werden, würde bald an Kraft verlieren, wie auch beim Wettrüsten der Menschen (wegen der Kosten für die Wirtschaft, auf die wir noch kommen werden), existierte bei den Beutetieren nicht eine parallele Tendenz. Und umgekehrt. Gazellen sind, nicht weniger als Geparde, Gegenstand der kumulativen Evolution, und sie werden im Lauf der Generationen ihre Fähigkeiten, schnell zu laufen, rasch zu reagieren, sich durch Tarnen im hohen Gras unsichtbar zu machen, immer mehr verbessern. Auch sie sind in der Lage, sich zu besseren Feinden zu entwickeln, in diesem Fall zu Feinden der Geparde. Vom Gesichtspunkt der Geparde aus gesehen wird die mittlere Jahrestemperatur im Lauf der Jahre nicht systematisch besser oder schlechter, außer daß jede Veränderung für ein hervorragend angepaßtes Tier eine Veränderung zum Schlechteren ist. Aber die mittlere jährliche Gazelle wird systematisch schlechter - schwieriger zu fangen, weil besser angepaßt, um Geparden auszuweichen. Auch hier wieder: Die Tendenz zu fortschreitender Verbesserung der Gazellen käme langsam zu einem Stillstand, gäbe es nicht die parallele Tendenz zur Verbesserung bei ihren Räubern. Eine Seite wird ein bißchen besser, weil die andere Seite etwas besser geworden ist. Und umgekehrt. Der Vorgang ist ein Teufelskreis oder besser eine Teufelsspirale auf einer Zeitskala von Hunderttausenden von Jahren.
In der Welt der Nationen mit ihrem kürzeren Zeitmaßstab sprechen wir von einem »Wettrüsten«, wenn zwei Feinde in Reaktion auf die Verbesserungen der anderen Seite ihr Waffenarsenal jeweils fortschreitend verbessern. Die evolutionäre Analogie liegt nahe genug, um den Ausdruck ausborgen zu dürfen, und ich bitte meine verehrten Kollegen, die unsere Sprache von solch einleuchtenden Bildern freihalten wollen, nicht um Entschuldigung. Ich habe den Gedanken hier in Form eines einfachen Beispiels von Gazellen und Geparden eingeführt, weil ich den wichtigen Unterschied klarmachen wollte, der zwischen einem lebendigen Feind, der selbst wieder Gegenstand des evolutiven Wandels ist, und einer unbelebten nichtfeindseligen Bedingung besteht, wie etwa dem Wetter, das zwar dem Wandel, aber nicht systematischem, evolutionärem Wandel unterliegt. Aber es ist nun an der Zeit zuzugeben, daß ich bei meiner Bemühung, diesen einen wichtigen Punkt zu erklären, den Leser in anderen Beziehungen irregeführt habe. Es ist klar, wenn man ein bißchen darüber nachdenkt, daß mein Bild eines immer weiter fortschreitenden Wettrüstens zumindest in einer Hinsicht zu einfach war. Nehmen wir die Laufgeschwindigkeit. So, wie ich die Idee des Wettrüstens bisher dargestellt habe, scheint sie den
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