Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
und spätere Fleischfresser größere Gehirne als frühere Fleischfresser. Wir scheinen an den Fossilien ein Wettrüsten zu sehen, oder eher eine Reihe von immer neubeginnenden Wettrüstungskampagnen zwischen Fleischfressern und Pflanzenfressern. Diese Parallele mit dem Wettrüsten der Menschen befriedigt besonders, da das Gehirn der eingebaute Computer ist, der sowohl von Fleischfressern als auch von Pflanzenfressern benutzt wird, und die Elektronik ist wahrscheinlich das Element in der heutigen menschlichen Waffentechnik, das die schnellsten Fortschritte macht.
Wie endet ein Wettrüsten? Manchmal endet es damit, daß eine Seite ausstirbt; in dem Fall hört die andere Seite dann vermutlich auf, sich weiter in jene spezielle progressive Richtung zu entwickeln; ja sie wird wahrscheinlich sogar »zurückgehen«, und zwar aus ökonomischen Gründen, die wir gleich erörtern werden. In anderen Fällen mögen wirtschaftliche Gründe einem Wettrüsten ein definitives Halt gebieten; definitiv, auch wenn eine Seite im Wettrüsten in gewissem Sinne permanent einen Schritt voran ist. Nehmen wir z. B. die Laufgeschwindigkeit. Es muß eine letzte Grenze geben für die Geschwindigkeit, mit der ein Gepard oder eine Gazelle laufen kann, ein Limit, bestimmt durch die Gesetze der Physik. Aber weder Geparde noch Gazellen haben dieses Limit erreicht. Beide haben sich gegenseitig hochgedrückt bis zu einer niedrigeren Grenze, die, so glaube ich, durch wirtschaftliche Zwänge diktiert ist. Hochgeschwindigkeitstechnik ist nicht billig. Sie verlangt lange Beinknochen, kraftvolle Muskeln und geräumige Lungen. Diese Dinge kann jedes Tier haben, das wirklich schnell laufen können muß, aber sie müssen erkauft werden. Sie werden erkauft zu einem steil ansteigenden Preis. Der Preis wird gemessen als das, was die Volkswirte »Gelegenheitskosten« nennen. Die Gelegenheitskosten von etwas werden gemessen als die Summe aller anderen Dinge, auf die man verzichten muß, wenn man dies eine haben will. Die Kosten dafür, sein Kind auf eine Privatschule zu schicken, für die man Gebühren zahlen muß, belaufen sich auf all die Dinge, die man sich als Ergebnis davon nicht leisten kann: das neue Auto oder die Ferien in der Sonne (wenn man so reich ist, daß man sich alle diese Dinge leicht leisten kann, so sind die Gelegenheitskosten dafür, sein Kind auf eine Privatschule zu schicken, möglicherweise so gut wie nicht vorhanden). Der Preis dafür, daß ein Gepard größere Beinmuskeln bekommt, beläuft sich auf all die anderen Dinge, die er mit dem Material und mit der Energie hätte tun können, die er darauf verwendet hat, Beinmuskeln zu produzieren, zum Beispiel mehr Milch für seine Jungen zu erzeugen.
Damit will ich natürlich nicht sagen, daß Geparde in ihrem Kopf Kostenrechnungen anstellen! Das alles wird automatisch von der gewöhnlichen natürlichen Auslese erledigt.
Ein Gepard, der keine so großen Beinmuskeln hat, mag vielleicht nicht ganz so schnell laufen, aber er erübrigt Mittel, um eine Extramenge Milch zu erzeugen und daher vielleicht ein weiteres Junges großzuziehen. Geparde, deren Gene ihnen einen optimalen Kompromiß zwischen Laufgeschwindigkeit, Milchproduktion und all den anderen Erfordernissen ihres Haushalts erlauben, werden mehr Junge großziehen. Es ist nicht offensichtlich, wo der optimale Ausgleich zwischen, sagen wir einmal, Milchproduktion und Laufgeschwindigkeit liegt. Er wird gewiß für die verschiedenen Arten verschieden sein und kann auch innerhalb jeder Art fluktuieren. Sicher ist nur eins, daß nämlich ein Ausgleich dieser Art unvermeidlich ist. Wenn sowohl Geparde als auch Gazellen die maximale Laufgeschwindigkeit erreicht haben, die sie sich entsprechend ihrer inneren Volkswirtschaft leisten können, wird das Wettrüsten zwischen ihnen zum Stillstand kommen.
Ihre jeweiligen ökonomischen Haltepunkte entsprechen einander vielleicht nicht genau. Beutetiere mögen schließlich einen relativ größeren Teil ihres Budgets auf Verteidigungswaffen verwenden als Räuber auf Angriffswaffen. Ein Grund dafür ist in der Moral des Äsop zusammengefaßt: Der Hase rennt schneller als der Fuchs, denn der Hase rennt um sein Leben, während der Fuchs nur um seine Mahlzeit läuft. Wirtschaftlich ausgedrückt bedeutet das, daß diejenigen Füchse, die Ressourcen in andere Projekte abzweigen, erfolgreicher sein können als solche, die praktisch all ihre Mittel für Jagdtechnik ausgeben. In der Hasenpopulation dagegen
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