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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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verpassen, andere Tiere zu fressen, und eine enorme Menge detaillierter Fakten über Tiere ergibt nur dann einen Sinn, wenn wir sie als Endprodukte eines langen und erbitterten Wettrüstens erkennen. H. B. Cott, Autor des klassischen Buches Animal Coloration, formulierte das im Jahre 1940 sehr eindrücklich in einem Absatz, der möglicherweise die erste gedruckte Verwendung der Analogie des Wettrüstens in der Biologie enthält:
    »Bevor wir behaupten, daß die täuschende äußere Erscheinung eines Grashüpfers oder eines Schmetterlings unnötig detailliert ist, müssen wir zuerst feststellen, welche Fähigkeiten der Wahrnehmung und Unterscheidung die natürlichen Feinde der Insekten besitzen. Tut man das nicht, so ist das, als behaupte man, die Panzerung eines Schlachtkreuzers sei zu schwer oder die Reichweite seiner Kanonen zu groß, ohne sich über Art und Leistungsfähigkeit der Bewaffnung des Feindes zu informieren. Tatsache ist, daß wir im urtümlichen Kampf des Dschungels wie auch in den Verfeinerungen des zivilisierten Krieges ein großes evolutionäres Wettrüsten beobachten - dessen Resultate in bezug auf die Verteidigung sich manifestieren in Einrichtungen wie Schnelligkeit, Aufmerksamkeit, Panzerung, Stacheln, Versteckgewohnheiten, Nachtgewohnheiten, giftigen Aussonderungen, widerlichem Geschmack und Tarnfarben sowie anderen Sorten von Schutzfärbung; und für den Angriff in solchen Gegenmerkmalen wie Schnelligkeit, Überraschung, Hinterhalt, Locken, Sehschärfe, Klauen, Zähnen, Stacheln, giftigen Fängen und Lockködern. Geradeso wie größere Geschwindigkeit bei den Verfolgten sich im Verhältnis zur größeren Geschwindigkeit des Verfolgers entwickelt hat oder Schutzpanzer im Verhältnis zu Angriffswaffen, so hat sich die Vollkommenheit von Tarnmechanismen in Reaktion auf zunehmende Wahrnehmungsfähigkeit entwickelt.«
    Wettrüsten in der Technik der Menschen ist leichter zu studieren als sein biologisches Äquivalent, weil die Fortschritte so viel schneller sind. Wir können tatsächlich sehen, wie es von Jahr zu Jahr vorwärtsgeht. Im Fall eines biologischen Wettrüstens andererseits sehen wir gewöhnlich nur die momentanen Endprodukte. Sehr selten wird ein totes Tier oder eine Pflanze zu einem Fossil; nur dann ist es möglich, fortschreitende Stadien im Wettrüsten von Tieren ein wenig genauer zu beobachten. Eins der interessantesten Beispiele dieser Art betrifft das elektronische Wettrüsten, wie es sich in Hirngrößen fossiler Tiere darstellt.
    Gehirne selbst werden nicht zu Fossilien, wohl aber Schädel, und der Hohlraum darin, der das Gehirn beherbergte - die Hirnschale -, kann bei sorgfältiger Interpretation einen guten Hinweis auf die Hirngröße geben. Ich sagte »bei sorgfältiger Interpretation«, und diese Einschränkung ist wichtig. Große Tiere haben gewöhnlich große Gehirne, z. T. einfach deshalb, weil sie groß sind, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, daß sie in irgendeinem interessanten Sinne »schlauer« sind. Elefanten haben größere Gehirne als Menschen, doch meinen wir - wahrscheinlich mit etwas Recht -, daß wir schlauer sind als Elefanten und daß unser Gehirn »eigentlich« größer ist, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß wir viel kleinere Tiere sind. Gewiß nimmt bei uns das Gehirn einen viel größeren Anteil des Körpers ein, als dies bei Elefanten der Fall ist, wie aus der gewölbten Form unseres Schädels offensichtlich wird. Das ist nicht einfach nur die Eitelkeit einer Spezies. Vermutlich ist ein wesentlicher Anteil jedes Gehirns für routinemäßige Pflege- und Verwaltungsdienste im ganzen Körper nötig, und ein großer Körper benötigt dafür automatisch ein großes Gehirn. Wir müssen eine Methode finden, wie wir aus unseren Berechnungen jenen Anteil des Gehirns »herauslassen« können, der lediglich der Körpergröße zugerechnet werden kann, so daß wir die Differenz als die wahre »Gehirnmenge« von Tieren vergleichen können. Das ist nur eine andere Ausdrucksweise für: wir brauchen eine gute Definition für das, was genau wir mit wahrer Gehirnmenge meinen. Es steht den verschiedenen Personen frei, verschiedene Methoden für diese Berechnungen vorzuschlagen; aber der wahrscheinlich maßgebendste Index ist der von Harry Jerison, einer führenden amerikanischen Autorität in Hirnhistorie, benutzte »Encephalisierungsquotient« oder EQ.
    Der EQ wird auf recht komplizierte Weise berechnet, und zwar unter Verwendung von Logarithmen des Gehirn-

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