Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
eine integrierte und kohärente Zweckmäßigkeit, weil Gene in einer Umwelt selektiert werden, die aus anderen Genen innerhalb derselben Art besteht. Weil aber Gene auch in einer Umwelt ausgelesen werden, die aus anderen Genen in verschiedenen Arten besteht, entwickelt sich ein Wettrüsten. Und das Wettrüsten ist die andere große Kraft, die die Evolution in Richtungen drängt, die uns als »progressive« komplexe »Entwürfe« erscheinen. Dem Wettrüsten wohnt eine Instabilität, ein Element der »Unaufhaltsamkeit« inne. Es veranlaßt beide Seiten, in die Zukunft zu preschen, und zwar auf eine Weise, die in gewissem Sinne nutzlos und umsonst, in einem anderen Sinn progressiv ist und für uns, die Beobachter, unendlich faszinierend. Das nächste Kapitel greift einen besonderen, recht speziellen Fall einer explosiven, unaufhaltsamen Evolution auf, den Fall, den Darwin sexuelle Auslese nannte.

Kapitel 8 Explosion und Spiralen
     
    Der menschliche Geist ist darauf eingefahren, Analogieschlüsse zu ziehen. Es drängt uns unausweichlich dazu, in geringfügigen Ähnlichkeiten zwischen sehr verschiedenen Vorgängen eine Bedeutung zu sehen. In Panama verbrachte ich viele Tage damit, zwei wimmelnde, miteinander kämpfende Kolonien von Blattschneiderameisen zu beobachten, und mein geistiges Auge verglich unwillkürlich das von Körpergliedern übersäte Schlachtfeld mit Bildern, die ich von Langemarck gesehen hatte. Ich konnte fast die Gewehre hören und den Rauch riechen. Kurz nach Veröffentlichung meines ersten Buches, Das egoistische Gen, traten unabhängig voneinander zwei Geistliche an mich heran, die beide zu derselben Analogie zwischen Gedanken in dem Buch und der Doktrin der Erbsünde gekommen waren. Darwin wandte die Idee der Evolution ganz speziell auf lebende Organismen an, deren Körperform sich über unzählige Generationen hinweg verändert. Seine Nachfolger sind versucht, in allem Evolution zu sehen; in der sich verändernden Gestalt des Universums, in Entwicklungs»stadien« menschlicher Zivilisationen, in der Mode von Rocklängen. Manchmal können solche Analogien ungeheuer fruchtbar sein, aber es ist leicht, Analogien zu weit zu treiben oder sich übermäßig über Analogien zu erregen, die so schwach sind, daß sie keine Hilfe darstellen oder sogar schlankweg schädlich sind. Ich habe mich an den mir gebührenden Anteil an Exzentrikerpost gewöhnt und gelernt, daß eins der Kennzeichen nutzloser Verschrobenheit gerade in übereifrigen Analogieschlüssen besteht.
    Andererseits sind einige der größten Fortschritte in der Wissenschaft erzielt worden, indem irgendein Schlaukopf eine Analogie zwischen einem bereits verstandenen Gegenstand und einem anderen, noch geheimnisvollen Gegenstand entdeckte. Das Geheimnis besteht darin, das Gleichgewicht zwischen zu vielen ungeprüften Analogieschlüssen einerseits und einer sterilen Blindheit gegenüber fruchtbaren Analogien auf der anderen Seite zu halten. Der erfolgreiche Wissenschaftler und der rasende Exzentriker unterscheiden sich durch die Qualität ihrer Inspirationen. Allerdings vermute ich, daß in der Praxis der Unterschied nicht so sehr darin besteht, Analogien zu bemerken, als unkluge Analogien auszuscheiden und nützliche weiterzuverfolgen. Gehen wir darüber hinweg, daß wir es hier noch mit einer weiteren Analogie zu tun haben, die dumm oder fruchtbringend sein kann (und gewiß nicht originell ist), nämlich zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und der Darwinschen evolutionären Auslese, und kommen wir zu dem Punkt, der für dieses Kapitel relevant ist. Der besteht darin, daß ich mich nun mit zwei miteinander verwobenen Analogien befassen möchte, die ich zwar anregend finde, die aber, wenn wir nicht vorsichtig sind, leicht zu weit führen können. Die erste ist eine Analogie zwischen mehreren Prozessen, die alle Explosionen ähnlich sind. Die zweite ist eine Analogie zwischen Darwinscher Evolution und dem, was man gewöhnlich kulturelle Evolution nennt. Ich glaube, daß diese Analogien nützlich sein können - das ist klar, sonst würde ich ihnen kein Kapitel widmen -, aber der Leser ist gewarnt.
    Die wichtige Eigenschaft von Explosionen ist, was Ingenieure »positive Rückkoppelung« nennen. Positive Rückkoppelung läßt sich am besten durch den Vergleich mit ihrem Gegenteil, negativer Rückkoppelung, verstehen. Auf negativer Rückkoppelung beruhen die meisten Vorgänge von automatischer Steuerung und Regelung, und eines ihrer hübschesten und

Weitere Kostenlose Bücher