Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
am besten bekannten Beispiele ist Watts Dampfregler. Ein brauchbarer Motor muß Drehkraft mit konstanter Geschwindigkeit liefern, der richtigen Geschwindigkeit für die zu erledigende Arbeit - walzen, weben, pumpen oder was auch immer es gerade sein mag. Vor Watt war die Drehgeschwindigkeit vom Dampfdruck abhängig. Man schürte den Kessel und beschleunigte dadurch den Motor - nicht sehr befriedigend für eine Mühle, ein Hüttenwerk oder einen Webstuhl, die für ihre Maschinen gleichbleibenden Antrieb brauchen. Der Wattsche Regler war ein automatisches Ventil, das die Dampfzufuhr zum Kolben regelte. Der Witz bestand darin, das Ventil so an die vom Motor erzeugte Drehbewegung anzuschließen, daß das Ventil den Dampf um so mehr drosselte, je schneller der Motor lief. Umgekehrt öffnete sich das Ventil, wenn die Maschine langsam lief. Daher beschleunigte ein zu langsam laufender Motor bald wieder, und ein zu schnell laufender Motor verlangsamte sich. Die Methode, mit der die Geschwindigkeit reguliert wurde, war einfach, aber wirkungsvoll; man wendet das Prinzip heute immer noch an. Der Motor treibt ein Kugelpaar an, das sich auf mit Gelenken versehenen Armen herumdreht. Wenn sie sich schnell drehen, schwingen die Kugeln, von der Zentrifugalkraft getrieben, in ihren Gelenken nach oben. Drehen sie sich langsam, hängen sie herab. Die Gelenkarme sind direkt mit dem Dampfventil verbunden. Mit entsprechender Feineinstellung kann der Wattregler eine Dampfmaschine so steuern, daß sie sich trotz erheblicher Schwankungen der Feuerung mit fast gleichbleibender Geschwindigkeit dreht.
Das dem Wattregler zugrundeliegende Prinzip ist negative Rückkoppelung. Der Ausstoß der Maschine (in diesem Fall Drehbewegung) wird (über das Dampfventil) in die Maschine zurückgeführt. Die Rückkoppelung ist negativ, da ein großer Ausstoß (schnelle Drehung der Kugeln) einen negativen Effekt auf die Dampfzufuhr hat. Umgekehrt treibt niedriger Ausstoß (langsame Drehung der Kugeln) die Zufuhr (von Dampf) in die Höhe, kehrt also das Vorzeichen wiederum um. Aber ich habe den Begriff der negativen Rückkoppelung nur eingeführt, um ihn der positiven Rückkoppelung gegenüberzustellen. Nehmen wir eine Watt-geregelte Dampfmaschine und führen eine entscheidende Veränderung ein. Kehren wir die Beziehung zwischen den zentrifugalkraftgetriebenen Kugeln und dem Dampfventil um. Jetzt öffnet sich das Ventil, wenn die Kugeln sich schnell drehen, statt sich zu schließen, wie Watt dies wollte. Umgekehrt verringert das Ventil den Dampfstrom, statt ihn zu vergrößern, wenn die Kugeln sich langsam drehen. Ein normaler Watt-geregelter Motor würde, wenn er langsamer zu werden beginnt, diese Tendenz bald korrigieren und wieder bis zu der gewünschten Geschwindigkeit beschleunigen. Aber unser frisierter Motor tut genau das Gegenteil. Wenn er sich zu verlangsamen beginnt, wird er (wegen des umgekehrten Ventils) noch langsamer; es dauert nicht lange, und er hat sich abgedrosselt. Wenn andererseits ein so frisierter Motor sich zufällig ein bißchen beschleunigt, so wird diese Tendenz verstärkt, statt korrigiert zu werden wie bei einem richtigen Wattmotor. Die geringe Beschleunigung wird vom umgekehrten Regler verstärkt, der Motor beschleunigt sich. Die Beschleunigung hat eine positive Rückkoppelung, der Motor beschleunigt sich sogar noch stärker. Das geht so weiter, bis entweder der Motor unter der Belastung auseinanderbricht und das sich unaufhaltsam steigernde Schwungrad durch die Fabrikwand schießt, oder bis kein weiterer Dampfdruck mehr verfügbar ist und damit der Geschwindigkeit eine obere Grenze gesetzt wird.
Wo sich der ursprüngliche Wattregler der negativen Rückkoppelung bedient, steht unser hypothetischer frisierter Regler als Beispiel für den entgegengesetzten Vorgang der positiven Rückkoppelung. Positive Rückkoppelungsvorgänge sind instabil und steigern sich unaufhaltsam. Geringfügige anfängliche Störungen werden verstärkt und laufen in einer sich unaufhaltsam steigernden Spirale davon, die entweder in einer Katastrophe endet oder sich aufgrund anderer Prozesse irgendwann auf einem höheren Niveau einspielt. Die Ingenieure fassen aus praktischen Gründen eine große Vielfalt von Vorgängen unter der einzigen Überschrift negative Rückkoppelung und eine andere große Vielfalt unter der Überschrift positive Rückkoppelung zusammen. Die Analogien sind nicht nur in irgendeinem vagen qualitativen Sinn nützlich, sondern weil allen
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