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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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verschiebt sich das Gleichgewicht des wirtschaftlichen Vorteils in Richtung auf solche Hasen, die viel für eine Ausrüstung zum schnellen Laufen ausgeben. Das Resultat dieser wirtschaftlich ausgeglichenen Haushalte innerhalb der Arten ist, daß das Wettrüsten zwischen Arten zu einem wechselseitig stabilen Ende neigt, bei dem eine Seite der anderen voraus ist.
    Es ist unwahrscheinlich, daß wir jemals Zeuge eines gerade ablaufenden Wettrüstens werden, da es unwahrscheinlich ist, daß es zu irgendeinem besonderen »Moment« der geologischen Zeit, etwa zu unserer Zeit, im Gange ist. Aber die Tiere, die wir zu unserer Zeit sehen, können als Endprodukte eines Wettrüstens interpretiert werden, das in der Vergangenheit stattfand.
    Fassen wir die Botschaft dieses Kapitels zusammen: Gene werden ausgelesen, nicht wegen der ihnen innewohnenden Qualitäten, sondern aufgrund ihrer Wechselwirkungen mit ihrer Umwelt. Eine besonders wichtige Komponente der Umwelt eines Gens sind andere Gene. Diese Komponente ist so wichtig, weil andere Gene sich über Generationen hinweg im Verlauf der Evolution ebenfalls verändern - mit wichtigen Konsequenzen zweifacher Art.
    Erstens bedeutet es, daß jene Gene begünstigt werden, die mit den anderen Genen »zusammenarbeiten« können und sie wahrscheinlich unter den für Kooperation günstigen Umständen treffen. Dies trifft besonders, wenn auch nicht ausschließlich, auf Gene innerhalb derselben Art zu, weil Gene einer Art sich häufig dieselben Zellen miteinander teilen. Es hat zur Evolution großer Gruppen kooperierender Gene und letztlich sogar zur Evolution von Körpern als Produkten ihrer kooperativen Wirkungen geführt. Ein individueller Körper ist ein großes Vehikel oder eine große »Überlebensmaschine«, die von einer Gengenossenschaft zur Bewahrung von Kopien jedes Mitglieds dieser Genossenschaft gebaut worden ist. Sie arbeiten zusammen, weil sie alle von demselben Ergebnis - Überleben und Fortpflanzen des gemeinschaftlichen Körpers
    - nur gewinnen können, und weil sie einen wichtigen Teil der Umwelt darstellen, in der die natürliche Auslese auf jeden von ihnen wirkt.
    Zweitens begünstigen die Umstände nicht immer eine Zusammenarbeit. Auf ihrem Marsch durch die geologische Zeit treffen die Gene auch unter Umständen aufeinander, die Feindschaft fördern. Das trifft besonders, wenn auch nicht ausschließlich, für Gene in verschiedenen Arten zu. Der springende Punkt bei unterschiedlichen Arten ist, daß ihre Gene sich nicht vermischen - weil Angehörige verschiedener Arten sich nicht miteinander paaren können. Wenn ausgelesene Gene einer Art die Umwelt bilden, in der auch Gene einer anderen Art ausgelesen werden, so ist das Ergebnis häufig ein evolutionäres Wettrüsten. Jede neue genetische Verbesserung, die auf einer Seite des Wettrüstens - sagen wir einmal, der Seite der Räuber - ausgelesen wird, verändert die Umwelt für die Auslese von Genen auf der anderen Seite des Wettrüstens - der Seite der Beute. Diese Sorte von Wettrüsten ist großteils für den scheinbaren Fortschrittscharakter der Evolution verantwortlich, für die Evolution immer größerer Laufgeschwindigkeit, Fluggeschicklichkeit, Sehschärfe, Hörschärfe usw. Dieses Wettrüsten hält nicht für immer an, sondern stabilisiert sich, etwa wenn weitere Verbesserungen, wirtschaftlich gesehen, für die betroffenen einzelnen Tiere zu kostspielig werden.
    Das war ein schwieriges Kapitel, aber es mußte in das Buch hinein. Sonst wäre bei uns das Gefühl entstanden, daß die natürliche Auslese lediglich ein destruktiver Prozeß oder bestenfalls ein Prozeß des Ausmerzens ist. Wir haben gesehen, daß die natürliche Auslese auf zweierlei Weise eine konstruktive Kraft sein kann. Die eine betrifft Beziehungen der Zusammenarbeit zwischen Genen innerhalb von Arten. Unsere grundlegende Annahme muß sein, daß Gene »egoistische« Einheiten sind, die für ihre eigene Verbreitung im Genpool der Art arbeiten. Da aber die Umwelt eines Gens in einem derart hervorragenden Maße aus anderen Genen besteht, die ebenfalls in demselben Genpool ausgelesen werden, werden diejenigen Gene begünstigt, die in der Zusammenarbeit mit anderen Genen im selben Genpool gut sind. Deswegen haben sich große Körper aus Zellen, die kohärent in Richtung auf dieselben kooperativen Ziele arbeiten, entwickelt. Deswegen existieren Körper und nicht einzelne Replikatoren, die sich in der Ursuppe untereinander bekämpfen.
    Körper entwickeln

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