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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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das Hauptgewicht auf Überleben und den Kampf ums Dasein, doch er erkannte, daß Dasein und Überleben nur Mittel zu einem Zweck waren. Dieser Zweck war Fortpflanzung. Ein Fasan mag ein reifes Alter erreichen, aber wenn er sich nicht fortpflanzt, wird er seine Merkmale nicht weitergeben. Die Auslese wird Qualitäten fördern, die ein Tier bei der Fortpflanzung erfolgreich machen, aber das Überleben ist lediglich ein Teil des Kampfes ums Reproduzieren. In anderen Teilen des Kampfes gehört der Erfolg jenen, die für das andere Geschlecht am attraktivsten sind. Darwin sah, daß ein männlicher Fasan oder Pfau oder Paradiesvogel, wenn er sich, selbst auf Kosten seines eigenen Lebens, sexuelle Anziehungskraft erkauft, seine sexuell attraktiven Merkmale immer noch durch höchst erfolgreiche Zeugung vor seinem Tod weitergeben kann. Er erkannte, daß das Rad eines Pfaus ein Handikap für seinen Besitzer sein muß, soweit es das Überleben betrifft, und er vermutete, daß es von der größeren sexuellen Attraktivität für das Männchen mehr als aufgewogen werden mußte. Dank seiner Vorliebe für den Vergleich mit der Züchtung von Haustieren verglich Darwin die Henne mit einem menschlichen Züchter, der den Lauf der Evolution von Haustieren nach den Maßstäben ästhetischer Launen lenkt. Wir könnten sie mit einer Person vergleichen, die Computerbiomorphe in Richtungen ästhetisch ansprechender Formen ausliest.
    Darwin nahm weibliche Launen als gegeben hin. Ihre Existenz war ein Axiom seiner Theorie der sexuellen Auslese, eher eine Voraussetzung als etwas, das selbst erklärt werden mußte. Zum Teil aus diesem Grunde kam seine Theorie der geschlechtlichen Auslese in Mißkredit, bis sie von Fisher 1930 gerettet wurde. Leider ignorierten oder mißverstanden viele Biologen Fisher. Julian Huxley und andere wandten ein, daß die Launen von Weibchen keine legitime Grundlage für eine echte wissenschaftliche Theorie darstellten. Aber Fisher rettete die Theorie der geschlechtlichen Auslese, indem er die weibliche Präferenz ihrerseits wieder als einen legitimen Gegenstand der natürlichen Auslese eigenen Rechts behandelte, nicht weniger legitim als die Schwänze der Männchen. Weibliche Präferenz ist eine Manifestation des weiblichen Nervensystems. Das Nervensystem der Henne entwickelt sich unter dem Einfluß ihrer Gene, und seine Merkmale sind daher wahrscheinlich während früherer Generationen von der Auslese beeinflußt worden. Wo andere sich vorgestellt hatten, der Schmuck der Männchen habe sich unter dem Einfluß statischer weiblicher Bevorzugung entwickelt, dachte Fisher an eine weibliche Präferenz, die sich dynamisch im Gleichschritt mit dem männlichen Schmuck entwickelte. Vielleicht merkt der Leser jetzt, wo hier die Idee der explosiven positiven Rückkoppelung ansetzt.
    Wer schwierige theoretische Überlegungen erörtert, tut häufig gut daran, sich ein besonderes Beispiel aus der wirklichen Welt vor Augen zu halten. Ich greife den Schwanz der afrikanischen Hahnenschweif-Widah als Beispiel heraus. Jeder sexuell ausgelesene Schmuck wäre geeignet gewesen, aber ich wollte nun einmal etwas anderes als das Übliche tun und den (bei Erörterungen der sexuellen Auslese) allgegenwärtigen Pfau aus dem Spiel lassen. Das Männchen der Hahnenschweif- Widah ist ein kleiner schwarzer Vogel mit orangefarbenen Schulterabzeichen, ungefähr so groß wie ein Spatz, allerdings mit Hauptschwanzfedern, die in der Brutzeit mehr als 45 Zentimeter lang sein können. Man sieht ihn oft, wie er über den afrikanischen Grasebenen seinen spektakulären Schauflug vorführt, wie er kreist und eine Schleife nach der anderen dreht, wie ein Flugzeug mit einem langen Reklamestreifen. Es überrascht nicht, daß er sich bei Nässe eventuell nicht in die Luft erheben kann. Selbst ein trockener Schwanz von dieser Länge muß lästig sein. Uns interessiert die Evolution des langen Schwanzes, die vermutlich ein explosiver Vorgang gewesen ist. Unser Ausgangspunkt ist daher ein Vorfahr des Vogels ohne langen Schwanz. Denken wir uns, der Schwanz des Vogelvorfahren sei etwa sieben bis acht Zentimeter lang gewesen, etwa ein Sechstel der Länge des Schwanzes unseres heutigen Vogelmännchens in der Brutzeit. Der evolutive Wandel, den wir zu erklären suchen, ist eine Verlängerung des Schwanzes um das Sechsfache.
    Es ist unbestritten, daß bei fast allem, was wir an Tieren messen, die meisten Angehörigen einer Art zwar dicht am Durchschnitt liegen, einige

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