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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Bedeutung der positiven Rückkoppelungen in internationalen Angelegenheiten wird stillschweigend mit dem Schlagwort »Eskalation« anerkannt: wenn wir sagen, daß der Nahe Osten ein »Pulverfaß« ist, und wenn wir »Krisenherde« identifizieren. Eines der am besten bekannten Ergebnisse der positiven Rückkoppelung finden wir im MatthäusEvangelium: »Denn wer hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe - wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.« Dieses Kapitel handelt von positiven Rückkoppelungen in der Evolution. Es gibt an lebenden Organismen einiges, was so aussieht, als sei es das Endprodukt von so etwas wie einem explosiven, von positiver Rückkoppelung angetriebenen, sich aufschaukelnden Evolutionsprozeß. Ein Beispiel dafür in milder Form ist das Wettrüsten im früheren Kapitel, aber die wirklich spektakulären Beispiele finden wir in den Organen der sexuellen Werbung.
    Der Leser versuche, sich selbst zu überzeugen - wie meine Lehrer versuchten, mich zu überzeugen, als ich Student war -, daß das Rad eines Pfaus ein denkbar funktionales Organ wie ein Zahn oder eine Niere ist, von der natürlichen Auslese zu keinem anderen Zweck so gestaltet, als die einfache Aufgabe zu erfüllen, den Vogel unzweideutig als einen Angehörigen dieser, und nicht jener, Art abzustempeln. Sie haben mich nie überzeugt, und ich habe meine Zweifel, ob sich der Leser davon überzeugen kann. Für mich besitzt das Pfauenrad unverwechselbar den Stempel der positiven Rückkoppelung. Es ist eindeutig das Produkt irgendeiner Art unkontrollierter, instabiler Explosion, die im Verlauf der Evolution stattfand. Das meinte auch Darwin in seiner Theorie der sexuellen Auslese, und das, ausdrücklich und mit vielen Worten, dachte auch der größte seiner Nachfolger, R. A. Fisher. Nach kurzer Beweisführung kam er (in seinem Buch The Genetical Theory of Natural Selection) zu folgendem Schluß:
    »Federkleidentwicklung beim Männchen und sexuelle Bevorzugung solcher Entwicklungen beim Weibchen müssen somit gemeinsam voranschreiten, und solange der Vorgang nicht von strenger Gegenauslese gebremst wird, wird er mit immer größerer Geschwindigkeit weitergehen. Bei völliger Abwesenheit solcher Bremsen wird, das ist leicht zu sehen, die Geschwindigkeit der Entwicklung der bereits erreichten Entwicklung proportional sein, die daher mit der Zeit exponentiell oder in geometrischer Progression anwachsen wird.«
    Es ist typisch für Fisher, daß das, was für ihn »leicht zu sehen« war, von anderen erst ein halbes Jahrhundert später vollauf verstanden wurde. Er machte sich nicht die Mühe, seine Behauptung näher zu erklären, die Evolution eines sexuell attraktiven Federkleids könne mit immer größerer Geschwindigkeit, exponentiell, explosiv voranschreiten! Die restliche Welt der Biologen benötigte etwa 50 Jahre, um Fisher einzuholen und schließlich die mathematische Beweisführung vollständig zu rekonstruieren, die Fisher entweder auf dem Papier oder im Kopf aufgestellt haben muß, um sich selbst von der Sache zu überzeugen. Ich werde versuchen, diese mathematischen Ideen, die in ihrer modernen Form weitgehend von dem jungen amerikanischen Mathematiker und Biologen Russell Lande erarbeitet wurden, ausschließlich in nichtmathematischer Prosa zu erklären. Zwar wäre ich nicht so pessimistisch wie Fisher selbst, der im Vorwort seines 1930 erschienenen Buches schrieb, »keine Anstrengungen meinerseits konnten helfen, das Buch zu einer leichten Lektüre zu machen«, dennoch sei der Leser mit den Worten eines freundlichen Rezensenten meines eigenen ersten Buches »gewarnt, daß er seine geistigen Rennschuhe anziehen muß«. Bis ich selbst diese schwierigen Überlegungen verstand, war ein harter Kampf.
    Hier muß ich, trotz seines Protestes, meinem Kollegen und früheren Schüler Alan Grafen danken, der sich zwar immer in seinen nur ihm vertrauten Höhenregionen bewegt, der aber die noch seltenere Fähigkeit hat, seine Flügel abzulegen und darüber nachzudenken, wie man die Dinge anderen erklären kann. Ohne seine Unterweisung hätte ich den mittleren Teil dieses Kapitels einfach nicht schreiben können, und aus diesem Grund weigere ich mich, meinen Dank in das Vorwort zu stecken.
    Bevor wir zu diesen schwierigen Fragen kommen, muß ich ein wenig zurückgreifen und etwas über die Entstehung des Gedankens der sexuellen Auslese sagen. Es begann, wie so vieles andere auf diesem Gebiet, mit Charles Darwin. Zwar legte Darwin

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