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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Individuen aber ein bißchen darüber, während andere sich darunter befinden. Wir können sicher sein, daß es bei den Vorfahren des Hahnenschweif- Widah verschiedene Schwanzlängen gegeben hat, einige länger, andere kürzer als der Durchschnitt von sieben bis acht Zentimetern. Wir können mit Sicherheit annehmen, daß die Schwanzlänge von einer großen Zahl von Genen bestimmt wird, von denen jedes einzelne eine geringe Auswirkung hat, deren gemeinsame Auswirkungen sich jedoch, zusammen mit den Auswirkungen der Nahrung und anderer Umweltvariablen, zur tatsächlichen Schwanzlänge des Individuums addieren. Große Zahlen von Genen, deren Effekte sich summieren, nennen wir Polygene. Die Mehrzahl unserer eigenen Körpermaße, etwa Größe und Gewicht, werden von großen Zahlen von Polygenen bestimmt. Das mathematische Modell der sexuellen Auslese, dem ich am engsten folge, das von Russel Lande, ist ein Modell mit Polygenen.
    Nun müssen wir unsere Aufmerksamkeit den Weibchen zuwenden und der Art und Weise, wie sie ihre Paarungspartner auswählen. Es mag recht sexistisch anmuten, wenn wir annehmen, daß es die Weibchen sind, die ihre Partner auswählen, und nicht andersherum. Tatsächlich aber gibt es gute theoretische Gründe dafür, zu erwarten, daß es tatsächlich so herum ist (siehe Das egoistische Gen), und in der Praxis ist es gewöhnlich wirklich so. Gewiß locken die rezenten langgeschwänzten Hahnenschweif-Widah einen Harem von einem halben Dutzend oder mehr Weibchen an. Das heißt, daß es einen Überschuß von Männchen in der Population gibt, der sich nicht fortpflanzt. Das bedeutet wiederum, daß die Weibchen keine Schwierigkeiten haben, einen Paarungspartner zu finden, und daß sie wählerisch sein können. Ein Männchen hat eine Menge zu gewinnen, wenn es für die Weibchen attraktiv ist. Ein Weibchen hat wenig zu gewinnen, wenn es für die Männchen attraktiv ist, denn es ist zwangsläufig immer gefragt.
    Nachdem wir akzeptiert haben, daß die Weibchen die Wahl treffen, machen wir nun also den entscheidenden Schritt, den Fisher tat, um Darwins Kritiker zu vernichten. Statt einfach hinzunehmen, daß Weibchen Launen haben, betrachten wir die Präferenz der Weibchen als eine genetisch beeinflußte Variable wie jede andere auch. Weibliche Präferenz ist eine quantitative Variable, und wir können voraussetzen, daß sie genauso wie die Schwanzlänge der Männchen von Polygenen beeinflußt wird. Diese Polygene können auf jeden beliebigen Teil (aus einer großen Vielfalt von Teilen) des weiblichen Gehirns einwirken, oder sogar auf die Augen des Weibchens oder auf irgend etwas, das den Effekt hat, seine Präferenz zu ändern. Die Präferenz der Weibchen zieht zweifellos viele Teile eines Männchens in Betracht, die Farbe seines Schulterflecks, die Form des Schnabels usw.; aber wir sind hier nun einmal an der Evolution der männlichen Schwanzlänge interessiert und daher an der weiblichen Bevorzugung von männlichen Schwänzen verschiedener Längen. Wir können daher die weibliche Präferenz in genau denselben Einheiten messen, wie wir die männliche Schwanzlänge messen - in Zentimetern. Die Polygene werden dafür sorgen, daß es einige Weibchen gibt, die Männchen mögen, deren Schwanz länger als der Durchschnitt ist; andere dagegen haben eine Vorliebe für Männchen mit kürzeren Schwänzen als der Durchschnitt, und wieder andere bevorzugen Schwänze, die genau die durchschnittliche Länge besitzen.
    Nun kommt eine der entscheidenden Einsichten der ganzen Theorie. Obgleich Gene für weibliche Präferenz sich nur im Verhalten der Weibchen ausdrücken, sind sie auch in den Körpern der Männchen vorhanden. Und aus dem gleichen Grund sind Gene für männliche Schwanzlänge auch in den Körpern der Weibchen enthalten, ob sie nun bei den Weibchen zum Ausdruck kommen oder nicht. Die Vorstellung, daß Gene nicht zum Ausdruck gelangen, ist nicht schwierig. Wenn ein Mann Gene für einen langen Penis hat, so gibt er diese Gene mit der gleichen Wahrscheinlichkeit an seine Tochter wie an seinen Sohn weiter. Bei seinem Sohn können diese Gene sich ausdrücken, bei seiner Tochter natürlich nicht, denn sie hat ja überhaupt keinen Penis. Aber wenn der Mann irgendwann einmal Enkelsöhne bekommt, so können die Söhne seiner Tochter mit genauso großer Wahrscheinlichkeit seinen langen Penis erben wie die Söhne seines Sohnes. Gene können in einem Körper beherbergt werden, ohne zum Ausdruck zu kommen. Fisher und Lande

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