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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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das gleiche wohl nicht für die Qualität der übertragenen Unterhaltung gilt. Die Qualität der Tötungsmaschinen für den Krieg weist einen dramatischen Trend zur Verbesserung auf. Jahr für Jahr können sie immer mehr Menschen immer schneller töten. Der Gesichtspunkt, unter dem dies keine Verbesserung ist, ist offensichtlich, so daß ich hier nicht darauf eingehen muß.
    Es besteht kein Zweifel, daß im streng technischen Sinn die Dinge im Laufe der Zeit tatsächlich besser werden. Aber dies ist nur für technisch nützliche Dinge wie Flugzeuge und Computer offensichtlich. Es gibt viele andere Aspekte des menschlichen Lebens, die echte Trends aufweisen, ohne daß diese Trends in irgendeinem offensichtlichen Sinne Verbesserungen sind. Sprachen unterliegen eindeutig einer Evolution; sie weisen Trends auf, die voneinander abweichen, und werden, nachdem Jahrhunderte seit ihren Aufspaltungen verstrichen sind, gegenseitig immer weniger verständlich. Die zahlreichen Pazifikinseln sind ein großartiger Workshop für das Studium der Evolution von Sprachen. Die Sprachen verschiedener Inseln sind eindeutig einander ähnlich, und ihre Unterschiede lassen sich genau messen an der Zahl voneinander abweichender Wörter, ein Maß in enger Analogie zu molekulartaxonomischen Messungen, die wir in Kapitel 10 erörtern. Der Unterschied zwischen Sprachen, gemessen an der Anzahl abweichender Wörter, läßt sich in einem Diagramm gegen den in Kilometern gemessenen Abstand zwischen den Inseln darstellen. Es zeigt sich, daß die Punkte im Diagramm auf einer Kurve liegen, deren genaue mathematische Gestalt uns etwas über die Ausbreitungsrate von Insel zu Insel sagt. Die Wörter reisten per Kanu, die Sprünge von Insel zu Insel sind proportional zum Grad der Entfernung zwischen den betreffenden Inseln erfolgt. Auf jeder Insel verändern sich die Wörter mit einer steten Rate, in sehr genau derselben Weise, wie Gene gelegentlich mutieren. Jede Insel würde, wäre sie völlig isoliert, im Lauf der Zeit eine gewisse evolutionäre Veränderung in ihrer Sprache und somit eine gewisse Abweichung von den Sprachen der anderen Inseln aufweisen. Zwischen nahe beieinander liegenden Inseln ist die Rate des Wortflusses, per Kanu, offensichtlich höher als zwischen Inseln, die weit voneinander entfernt liegen. Ihre Sprachen besitzen auch einen jüngeren gemeinsamen Vorfahren als die Sprache der weit voneinander entfernt liegenden Inseln. Diese Phänomene, die das beobachtete Muster von Ähnlichkeit zwischen nahen und fernen Inseln erklären, bilden eine enge Parallele zu den unterschiedlichen Finkenarten auf den verschiedenen Inseln des Galapagos-Archipels, die Charles Darwin ursprünglich auffielen und zu seiner Theorie inspirierten. Gene springen in den Körpern von Vögeln von Insel zu Insel, gerade so wie Wörter in Kanus. Sprachen kennen also Evolution.
    Aber obwohl sich das moderne Englisch aus Chaucers Englisch entwickelt hat, glaube ich nicht, daß viele Leute gern behaupten wollen, unser heutiges Englisch sei eine Verbesserung gegenüber Chaucers Englisch. An Verbesserung oder Qualität denken wir gewöhnlich nicht, wenn wir über Sprache reden. Und wenn, dann gilt Veränderung häufig als Verschlechterung, als Degeneration. Im allgemeinen sind in unseren Augen frühere Wendungen korrekt, jüngere Veränderungen stören uns als Verfälschungen. Allerdings können wir auch evolutionsähnliche Trends entdecken, die in rein abstraktem, wertfreiem Sinne progressiv sind. Und wir finden sogar Beweise für positive Rückkoppelungen in Form von Eskalationen (oder von der anderen Seite betrachtet, Degenerationen) der Bedeutung. Zum Beispiel benutzte man früher das Wort »Star« zur Bezeichnung eines Filmschauspielers (einer Filmschauspielerin) von außergewöhnlicher Berühmtheit. Dann degenerierte es so weit, bis es jeden gewöhnlichen Schauspieler bezeichnete, der eine der führenden Rollen in einem Film spielte. Daher war es, um die ursprüngliche Bedeutung der außergewöhnlichen Berühmtheit zurückzugewinnen, nötig, das Wort zu »Superstar« zu eskalieren. Später begann die Werbung das Wort Superstar für Schauspieler zu verwenden, von denen viele Leute noch nie etwas gehört hatten, und da war die nächste Eskalation zu »Megastar« am Platz. Heute gibt es eine ganze Reihe »Megastars«, die zwar angepriesen werden, von denen aber zumindest ich niemals gehört habe; vielleicht steht uns also noch eine weitere Eskalation bevor. Werden wir

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