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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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anwenden können, sind Indikatoren, die jeder Tierarzt benutzen würde - glänzende Augen, schimmerndes Gefieder usw. Nur wirklich gesunde Männchen können diese Symptome zur Schau tragen, daher fördert die Selektion jene Männchen, die sie in vollem Maße vorzeigen und sie sogar in Form langer Schwänze und gespreizter Fächer übertreiben.
    Aber obwohl die Parasitentheorie sehr wohl richtig sein mag, ist sie in meinem Kapitel über »Explosionen« fehl am Platz. Kehren wir nun zu der Fisher-Lande-Aufschaukelungstheorie zurück. Was wir nun brauchen, sind Beweise aus der realen Tierwelt. Wie sollen wir solche Beweise finden? Welche Methoden können wir benutzen? Einen vielversprechenden Vorstoß unternahm der Schwede Malte Andersson in Ostafrika. Wie es der Zufall will, arbeitete er über genau denselben Vogel, den ich hier zur Erörterung der theoretischen Vorstellungen benutze - die langschwänzigen Hahnenschweif-Widah -, und studierte sie in ihrer natürlichen Umwelt in Kenia. Anderssons Experimente wurden durch einen neuen Fortschritt in der Technik möglich, durch den Superklebstoff. Sein Gedankengang war folgender: Wenn es zutrifft, daß die tatsächliche Schwanzlänge der Männchen ein Kompromiß ist zwischen einem utilitaristischen Optimum einerseits und dem, was die Weibchen wirklich wollen, auf der anderen Seite, so sollte es möglich sein, ein Männchen superattraktiv zu machen, indem wir ihm einen extra langen Schwanz geben. Hier trat nun der Superklebstoff in Aktion. Ich werde Anderssons Experiment kurz beschreiben, als Beispiel für den Aufbau eines Experimentes.
    Andersson fing 36 männliche Hahnenschweif-Widah und teilte sie in neun Gruppen von jeweils vier Vögeln auf. Jede der Vierergruppen wurde gleich behandelt. Einem Vogel jeder Vierergruppe (der sozusagen peinlich genau aufs Geratewohl ausgesucht wurde, um jede unbewußte Beeinflussung auszuschließen) wurden die Schwanzfedern gestutzt, so daß sie nur noch 14 Zentimeter lang waren. Der abgeschnittene Teil wurde mit schnell trocknendem Superkleber an das Schwanzende des zweiten Vogels der Gruppe angeklebt. Somit besaß der erste einen künstlich gestutzten, der zweite einen künstlich verlängerten Schwanz. Der dritte Vogel durfte seinen Schwanz unverändert behalten - zum Vergleich. Auch der vierte Vogel durfte seinen Schwanz in seiner ursprünglichen Länge behalten, aber er war nicht unverändert. Statt dessen waren die Enden der Federn abgeschnitten und dann wieder angeklebt worden, was sinnlos erscheinen mag, aber ein gutes Beispiel dafür ist, wie sorgfältig man Experimente planen muß. Es hätte sein können, daß eher die Manipulation seiner Schwanzfedern oder seine Gefangenschaft oder die Spuren der Menschen Auswirkungen auf den Vogel hätten und nicht so sehr die tatsächliche Veränderung der Schwanzlänge. Gruppe vier war eine »Kontrolle« solcher Effekte.
    Die Absicht war, den Paarungserfolg jedes Vogels mit dem der unterschiedlich behandelten Kollegen in seiner Vierergruppe zu vergleichen. Nachdem jeder Vogel auf eine der vier Weisen behandelt worden war, wurden sie alle in ihre jeweiligen eigenen Reviere zurückgebracht. Hier nahm jeder Vogel seine normale Tätigkeit wieder auf, versuchte, Weibchen in sein Revier zu locken, die sich begatten ließen, ein Nest bauten und Eier legten. Die Frage war, welcher Vogel aus jeder Vierergruppe den größten Erfolg beim Anlocken von Weibchen haben würde. Andersson maß nicht, indem er die Weibchen beobachtete, sondern er wartete und zählte dann die Zahl der Nester mit Eiern im Revier jedes Männchens. Er fand heraus, daß Männchen mit künstlich verlängerten Schwänzen fast viermal so viele Weibchen anlockten wie Männchen mit künstlich verkürzten Schwänzen. Diejenigen mit Schwänzen von normaler natürlicher Länge hatten einen mittleren Erfolg.
    Die Resultate wurden statistisch analysiert, um Zufälle auszuschließen. Die Schlußfolgerung lautete: Wenn es nur darum ginge, Weibchen anzulocken, so wären die Männchen besser daran, hätten sie längere Schwänze als in Wirklichkeit. Mit anderen Worten: Die sexuelle Auslese ist permanent dabei, die Schwänze auf größere Längen hin zu beeinflussen. Die Tatsache, daß die wirklich existierenden Schwänze kürzer sind, als die Weibchen sie bevorzugen, läßt vermuten, daß es irgendeinen anderen Selektionsdruck gibt, der sie kürzer hält. Und das ist die »Nützlichkeits«selektion. Wahrscheinlich sterben Männchen mit besonders

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