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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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über die augenscheinliche Lückenhaftigkeit des Fossilienmaterials beunruhigt und, so schien es, gezwungen gewesen, in ihrem Plädoyer auf das Fehlen eines vollständigen Indizienbeweises eigens einzugehen. Darwin selbst hatte geschrieben:
    »... die geologischen Urkunden [sind] sehr unvollständig. Das ... erklärt uns, warum wir nicht stufenlose Varietätenreihen auffinden, die zwischen ausgestorbenen und lebenden Arten in feinsten Übergängen vermitteln. Wer diese Sicht der geologischen Urkunden verwirft, verwirft damit meine ganze Theorie.«
    Die Hauptbotschaft von Eldredge und Gould hätte folgendermaßen lauten können: Mach dir keine Sorgen, Darwin, selbst wenn die Fossilienurkunden vollständig wären, solltest du nicht erwarten, sauber abgestufte Übergänge vorzufinden, wenn du nur an einem einzigen Ort gräbst; aus dem einfachen Grunde, weil der größte Teil des evolutionären Wandels irgendwoanders stattgefunden hat. Sie hätten noch weiter gehen und hinzufügen können:
    »Darwin, als du gesagt hast, die geologischen Urkunden seien unvollständig, hast du dich viel zu schwach ausgedrückt. Sie sind nicht nur unvollständig, es gibt sogar gute Gründe für die Erwartung, daß sie gerade dann besonders unvollständig sind, wenn es interessant wird, gerade dann, wenn evolutionärer Wandel stattfindet; zum Teil deshalb, weil die Evolution gewöhnlich an einem anderen Ort stattfand als dort, wo wir die Mehrheit unserer Fossilien finden, und zum Teil deshalb, weil, selbst wenn wir soviel Glück hätten, in einer der kleinen abseits gelegenen Gegenden zu graben, wo der Großteil des evolutionären Wandels stattfand, der evolutionäre Wandel (obwohl immer noch schrittweise) eine so kurze Zeit in Anspruch nimmt, daß wir besonders reiche Fossilienfunde brauchten, um ihn zu entdecken!«
    Aber nein, statt dessen entschlossen sie sich, besonders in ihren späteren Schriften, eifrig gefolgt von den Journalisten, ihre Gedanken als etwas zu verkaufen, was radikal im Gegensatz zu Darwins Theorie und im Gegensatz zur neodarwinistischen Synthese stand. Sie stellten nun das »schrittweise« der Darwinschen Sicht der Evolution in einen Gegensatz zum plötzlichen, sprunghaften, sporadischen »Intervallismus« ihrer eigenen Ansicht. Sie sahen sogar, besonders Gould, Analogien zwischen ihrer Ansicht und den alten Schulen des »Katastrophismus« und »Saltationismus«. Den Saltationismus haben wir bereits erörtert. Der Katastrophismus war ein Versuch im 18. und 19. Jahrhundert, eine bestimmte Form des Schöpfungsglaubens mit den unbequemen Fakten des Fossilienmaterials zu versöhnen. Die Anhänger des Katastrophismus glaubten, daß die scheinbare Progression der Fossilienurkunden tatsächlich eine Reihe getrennter Schöpfungen widerspiegelte, von denen jede mit einem katastrophenartigen Massenaussterben endete. Die letzte dieser Katastrophen war Noahs Sintflut.
    Vergleiche zwischen dem modernen Intervallismus einerseits und dem Katastrophismus oder Saltationismus andererseits sind lediglich Poesie. Sie sind, wenn ich ein Paradoxon prägen darf, zutiefst oberflächlich. Sie scheinen auf eine gewollt künstliche, literarische Weise eindrucksvoll, aber sie tragen in keiner Weise zum ernsthaften Verständnis bei und können von den modernen Kreationisten als unechte Hilfe und Stütze herangezogen werden bei ihrem beunruhigend erfolgreichen Bemühen, Lehre und Lehrbuchveröffentlichungen in den USA zu untergraben. Tatsache ist, daß Eldredge und Gould voll und ganz in genauso schrittweisen Veränderungen denken wie Darwin oder irgendeiner seiner Nachfolger. Sie wollen nur den gesamten schrittweisen Wandel in kurze Ausbrüche zusammenpressen, statt ihn kontinuierlich stattfinden zu lassen, und sie heben hervor, daß der Großteil des schrittweisen Wandels in geographischen Regionen stattfindet, die weit entfernt von den reichen Fossilienfundstätten liegen.
    So ist es nicht wirklich Darwins Kontinuismus, den die Intervallisten bekämpfen: Kontinuismus bedeutet, daß jede Generation von der vorherigen nur ein klein wenig verschieden ist; man müßte Saltationist sein, um dagegen zu sein, und Eldredge und Gould sind keine Saltationisten. Statt dessen zeigt sich, daß es Darwins angeblicher Glaube an die Konstanz von Evolutionsraten ist, gegen den sie und die anderen Intervallisten Sturm laufen. Sie sind dagegen, weil sie meinen, daß Evolution (immer noch unleugbar schrittweise Evolution) während relativ kurzer Ausbrüche rasch

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