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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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miteinander vermischen, sondern daß sie miteinander konkurrieren. Es ist ein allgemein anerkanntes Prinzip der Ökologie, daß zwei Arten mit derselben Lebensweise nicht lange an einem Ort koexistieren können, weil sie miteinander konkurrieren und eine die andere verdrängen wird. Natürlich ist es möglich, daß unsere zwei Spitzmauspopulationen nicht mehr dieselbe Lebensweise haben; so ist es möglich, daß die neue Art während ihrer Evolutionszeit auf der anderen Bergseite sich auf andere Beuteinsekten spezialisiert hat. Wenn jedoch eine hinreichende Konkurrenz zwischen den beiden Arten besteht, erwartet die Mehrheit der Ökologen, daß die eine oder die andere Art in der Überlappungszone ausstirbt. Sollte es zufällig die ursprüngliche, die Ahnenspezies sein, die ausstirbt, so sagen wir, daß sie durch eine neue, einwandernde Art ersetzt wurde.
    Die Theorie der Artbildung aufgrund anfänglicher geographischer Trennung war lange ein Eckpfeiler der Hauptrichtung des orthodoxen Neodarwinismus, und sie gilt immer noch auf allen Seiten als der wichtigste Vorgang, durch den neue Arten entstehen (einige Leute meinen, es gäbe noch andere Vorgänge). Ihre Einbeziehung in den modernen Darwinismus ist weitgehend dem Einfluß des berühmten Zoologen Ernst Mayr zu verdanken. Als die »Intervallisten« ihre Theorie zum ersten Mal vortrugen, fragten sie sich: Angenommen, wir akzeptieren, wie die meisten Neodarwinisten, die orthodoxe Theorie, daß Artbildung mit geographischer Isolierung beginnt, was sollten wir dann von den Fossilfunden erwarten?
    Denken wir an unsere hypothetische Population von Spitzmäusen zurück, von denen auf der anderen Seite des Bergrückens eine neue Art entsteht, die schließlich in die Heimat ihrer Vorfahren zurückkehrt und, was sehr gut möglich ist, die Ahnenart zum Aussterben treibt. Nehmen wir an, diese Spitzmäuse hätten Fossilien hinterlassen, nehmen wir sogar an, das Fossilienmaterial sei komplett, das heißt, es habe keine durch den bedauerlichen Wegfall von Schlüsselstadien bedingten Lücken. Was sollten wir von diesem Fossilienmaterial erwarten? Einen glatten Übergang von der Ahnen- zur Tochterart? Gewiß nicht, zumindest nicht, wenn wir in der Hauptlandmasse graben, wo die ursprüngliche Vorfahrenart der Spitzmäuse lebte und wohin die neue Art zurückkehrte. Denken wir an das, was in der Hauptlandmasse tatsächlich geschah. Es gab dort die Ahnenart der Spitzmäuse, die zufrieden lebte und sich fortpflanzte, ohne irgendeinen besonderen Grund, sich zu ändern. Zugegeben, ihre Vettern auf der anderen Seite der Berge waren eifrig dabei, sich zu entwickeln, aber ihre Fossilien befinden sich alle auf der anderen Seite des Berges, so daß wir sie in der Hauptlandmasse, wo wir graben, nicht finden. Dann plötzlich (d. h. »plötzlich« nach geologischen Maßstäben) kehrt die neue Art zurück, konkurriert mit der Hauptart und verdrängt diese vielleicht. Plötzlich verändern sich die Fossilien, die wir beim Graben durch die weiter oben gelegenen Schichten der Hauptlandmasse vorfinden. Zuvor gehörten sie alle der älteren Art an. Nun erscheinen, abrupt und ohne sichtbaren Übergang, Fossilien der neuen Art, und die Fossilien der alten Art verschwinden.
    Die »Lücken« sind weit davon entfernt, ärgerliche Unvollkommenheit aufzudecken oder mißliche Schwierigkeiten zu bereiten, sondern erweisen sich genau als das, was wir positiv erwarten sollten, wenn wir unsere orthodoxe neodarwinistische Theorie der Artbildung ernst nehmen. Der Grund, weshalb der »Übergang« von der Ahnenart zu der abstammenden Art abrupt und sprunghaft erscheint, ist lediglich, daß wir, wenn wir eine Fossilienreihe an irgendeinem Ort untersuchen, wahrscheinlich überhaupt keinen evolutionären Vorgang sehen; wir sehen statt dessen ein Migratationsereignis, die Ankunft einer neuen Art aus einer anderen geographischen Gegend. Gewiß gab es evolutionäre Vorgänge, und eine Art entwickelte sich wirklich, wahrscheinlich schrittweise, aus einer anderen. Um aber den evolutionären Übergang in den Fossilien dokumentiert zu sehen, müssen wir woanders graben - in diesem Fall auf der anderen Seite der Berge.
    Was Eldredge und Gould damals bewiesen, hätte bescheiden als eine hilfreiche Rettung Darwins und seiner Nachfolger aus dem, was ihnen als unangenehme Schwierigkeit vorgekommen war, dargestellt werden können. In der Tat wurde es, zumindest zum Teil, anfangs wirklich so dargestellt.
    Die Darwinisten waren immer

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