Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Richtungen entwickelten, so bildete die innerartliche Fortpflanzung kein Hindernis mehr dafür, daß sie sich auseinanderentwickelten und schließlich zu zwei getrennten Arten wurden.
Ich habe um der Klarheit der Darstellung willen von unterschiedlichen Kontinenten gesprochen, aber das Prinzip der geographischen Trennung als Schranke für die innerartliche Fortpflanzung kann auch auf Tiere auf verschiedenen Seiten einer Wüste, eines Bergzuges, eines Flusses oder sogar einer Autobahn zutreffen. Es kann für Tiere gelten, die durch keine andere Barriere getrennt sind als nur durch die Entfernung. Spitzmäuse in Spanien können sich nicht mit Spitzmäusen in der Mongolei paaren, und sie können, im Sinne der Evolution, von Spitzmäusen in der Mongolei abweichen, selbst wenn es eine ununterbrochene Kette von sich innerartlich fortpflanzenden Spitzmäusen gibt, die Spanien mit der Mongolei verbindet. Nichtsdestoweniger wird die geographische Trennung als Schlüssel der Artbildung deutlicher, wenn wir an eine tatsächliche physische Schranke, etwa an ein Meer oder eine Bergkette denken. In der Realität sind Inselketten wahrscheinlich fruchtbare Kinderstuben für neue Arten.
Hier ist nun also unser orthodoxes neodarwinistisches Bild davon, wie eine typische Art durch Abweichung von einer Ahnenart »geboren« wird: Wir beginnen mit der Ahnenspezies, einer großen Population von recht einheitlichen, sich untereinander fortpflanzenden Tieren, die über eine große Landmasse verteilt sind. Es könnte jede Sorte von Tier sein, aber bleiben wir bei dem Beispiel der Spitzmaus. Die Landmasse wird durch einen lebensfeindlichen Höhenzug geteilt, und es ist unwahrscheinlich, daß die Spitzmäuse den Höhenzug überqueren, aber es ist nicht ganz unmöglich, und ganz selten geraten ein oder zwei in die Niederungen auf der anderen Seite. Hier können sie gedeihen, und aus ihnen entsteht eine periphere Population der Art, die von der Hauptpopulation abgeschnitten ist. Nun vermehren sich die zwei Populationen, und zwar vermehren sie sich getrennt, vermischen ihre Gene auf jeder Seite der Berge, aber nicht über die Berge hinweg. Im Laufe der Zeit wird jede beliebige Veränderung in der genetischen Zusammensetzung einer Population durch Vermehrung in dieser ganzen Population verbreitet, aber nicht über die Berge hinüber in der anderen Population. Einige dieser Veränderungen können durch natürliche Auslese hervorgerufen worden sein, die auf den beiden Seiten des Höhenzuges verschieden sein mag: wir werden kaum erwarten, daß Wetterbedingungen sowie Räuber und Parasiten auf den beiden Seiten des Bergzuges genau gleich sind. Einige andere Veränderungen mögen allein durch Zufall bedingt sein. Wodurch die genetischen Veränderungen auch hervorgebracht werden, durch Fortpflanzung werden sie innerhalb jeder der zwei Populationen, aber nicht zwischen den zwei Populationen verbreitet. So weichen die beiden Populationen genetisch voneinander ab: sie werden einander immer unähnlicher.
Sie werden einander derart unähnlich, daß sie in den Augen der Naturforscher nach einer Weile als zwei verschiedene »Rassen« gelten. Nach einer langen Zeit werden sie so weit voneinander abgewichen sein, daß wir sie als verschiedene Arten klassifizieren. Stellen wir uns nun vor, das Klima wird wärmer, so daß die Wanderung über die Berge leichter wird und einige der neuen Art in kleinen Grüppchen in die Heimat ihrer Vorväter zurückkehren. Wenn sie auf die Nachfahren ihrer seit langem getrennten Vettern treffen, stellt sich heraus, daß sie in ihrer genetischen Ausstattung so weit voneinander abgewichen sind, daß sie sich nicht länger erfolgreich mit ihnen paaren können. Wenn sie sich doch mit ihnen kreuzen, so sind die daraus resultierenden Nachkommen kränklich oder unfruchtbar wie Maulesel. Auf diese Weise bestraft die natürliche Auslese jede Vorliebe seitens der Individuen auf jeder der beiden Seiten zur Kreuzung mit der anderen Art oder sogar Rasse. Die natürliche Auslese vervollkommnet damit den Prozeß der »Fortpflanzungsisolierung«, die mit dem zufälligen Dazwischenkommen eines Bergrückens begann. Die »Artbildung« ist abgeschlossen. Wir haben nunmehr zwei Arten, wo es vorher eine gab, und die zwei Arten können in derselben Region nebeneinander existieren, ohne sich untereinander zu vermehren.
Allerdings würden die zwei Arten wahrscheinlich nicht sehr lange nebeneinander existieren. Der Grund ist nicht, daß sie sich
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