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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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benutzt. Für zwei oder drei der gut»entworfenen« Merkmale eines Auges wäre es denkbar, daß sie ein glücklicher Zufall hervorgebracht hat. Es ist die schiere Zahl ineinandergreifender Teile, alle gut zum Sehen angepaßt und gut aneinander angepaßt, die eine besondere Erklärung über den bloßen Zufall hinaus verlangt. Natürlich bezieht die Darwinsche Erklärung auch den Zufall mit ein, in der Form von Mutationen. Aber der Zufall wird Schritt auf Schritt über Generationen hinweg von der Auslese gefiltert. In den vorangehenden Kapiteln habe ich gezeigt, daß diese Theorie eine zufriedenstellende Erklärung für adaptive Komplexität geben kann. In diesem Kapitel werde ich beweisen, daß alle anderen bekannten Theorien dazu nicht in der Lage sind.
    Nehmen wir zuerst den prominentesten historischen Rivalen des Darwinismus, den Lamarckismus. Als der Lamarckismus im frühen 19. Jahrhundert zum ersten Mal aufgebracht wurde, war keine Rivalität zum Darwinismus im Spiel, denn der Darwinismus war noch nicht erdacht worden. Der Chevalier de Lamarck war seiner Zeit voraus. Er war einer jener Intellektuellen des 18. Jahrhunderts, die zugunsten der Evolution argumentierten. Darin hatte er recht, und er verdiente es, daß ihm deshalb Ehre zuteil würde, gemeinsam mit Charles Darwins Großvater Erasmus und anderen. Lamarck lieferte auch die beste Theorie der Mechanismen der Evolution, die man damals aufstellen konnte, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, daß Lamarck die Darwinsche Mechanismustheorie abgelehnt hätte, wenn es sie zu jener Zeit schon gegeben hätte. Es gab sie noch nicht, und es ist Lamarcks Pech, daß sein Name, zumindest in der englischsprechenden Welt, einen Irrtum bezeichnet - seine Theorie des Mechanismus der Evolution - und nicht seinen korrekten Glauben an die Evolution. Ich schreibe kein Geschichtsbuch, und ich werde daher nicht versuchen, in einer gelehrten Analyse Lamarcks Ansichten genau wiederzugeben. In dem, was Lamarck sagte, war eine Dosis Mystizismus - z. B. glaubte er fest an den Fortschritt im Sinne von etwas, das sich viele Leute, sogar heute noch, als die Stufenleiter des Lebens vorstellen; und er sprach von Tieren, die etwas anstreben, als ob sie sich in irgendeinem Sinne bewußt entwickeln wollten. Ich werde aus dem Lamarckismus jene nichtmystischen Elemente auswählen, die - zumindest auf den ersten Blick - eine faire Chance zu haben scheinen, eine wirkliche Alternative zum Darwinismus zu bilden. Es sind im wesentlichen zwei Elemente und die einzigen, die von den modernen »Neolamarckisten« übernommen worden sind: die Vererbung erworbener Eigenschaften und das Prinzip des Benutzens und Nichtbenutzens.
    Das Prinzip des Benutzens und Nichtbenutzens besagt, daß diejenigen Körperteile eines Organismus, die benutzt werden, größer werden. Teile, die nicht benutzt werden, neigen dazu, zu verschwinden. Es ist eine beobachtete Tatsache, daß Muskeln wachsen, wenn man sie trainiert; Muskeln, die niemals benutzt werden, schrumpfen. Wenn wir den Körper eines Menschen untersuchen, so können wir sagen, welche Muskeln er benutzt und welche nicht. Wir können möglicherweise sogar seinen Beruf oder sein Hobby erraten. Anhänger des »Bodybuilding« wenden das Prinzip des Benutzens und Nichtbenutzens an, um ihre Körper, fast wie eine Skulptur, in die Form zu bringen, die gerade in dieser besonderen Minoritätenkultur Mode ist. Muskeln sind nicht die einzigen Teile des Körpers, die in dieser Weise auf Benutzung ansprechen. Man gehe barfuß, und man wird eine festere Haut an den Fußsohlen bekommen. Es ist leicht, einen Bauern von einem Bankangestellten zu unterscheiden, man braucht nur ihre Hände anzusehen. Die Hände des Bauern sind hornig, durch lange schwere Arbeit hart geworden. Wenn die Hände des Angestellten überhaupt hornig sind, dann bezieht sich das nur auf ein wenig Hornhaut am Schreibfinger.
    Das Prinzip des Benutzens und Nichtbenutzens gestattet es den Tieren, beim Überleben in der Welt besser zu werden, und zwar fortschreitend besser im Lauf ihrer eigenen Lebenszeit, als Resultat des Lebens in dieser Welt. Die Menschen erwerben durch direkte Sonnenbestrahlung (oder durch Mangel daran) eine Hautfarbe, die sie befähigt, in ihrem jeweiligen lokalen Lebensraum besser zu überleben. Zu viel Sonnenlicht ist gefährlich. Enthusiastische Sonnenanbeter mit heller Haut sind anfällig gegen Hautkrebs. Zu wenig Sonnenlicht andererseits führt zu Vitamin-D-Mangel und Rachitis, wie man

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