Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Abstammung, die doch fundamental die Annahme des sich hierarchisch verzweigenden Baumes als Grundlage für die Taxonomie rechtfertigt.
Ich habe den sonderbarsten Aspekt der taxonomischen Schule der transformierten Kladisten bis zuletzt aufgehoben. Nicht zufrieden mit dem durchaus plausiblen Glauben, es spräche etwas dafür, die Annahmen von Evolution und Vorfahren aus der Praxis der Taxonomie herauszuhalten, einem Glauben, den sie mit den »Entfernungsmessern« teilen, haben einige transformierte Kladisten den Sprung gewagt und den Schluß gezogen, daß mit der Evolution selbst etwas falsch sein muß! Es ist fast zu exzentrisch, um glaubhaft zu sein, aber einige der führenden »transformierten Kladisten« bekennen tatsächlich eine Feindseligkeit gegenüber der Vorstellung der Evolution an sich, speziell der Darwinschen Theorie der Evolution. Zwei von ihnen, G. Nelson und N. Platnick vom American Museum of Natural History in New York, sind so weit gegangen, zu schreiben, daß der »Darwinismus ... kurz gesagt, eine Theorie ist, die getestet und als falsch befunden wurde«. Ich würde zu gerne diesen Test kennenlernen; und noch mehr, ich würde nur zu gern wissen, mit welcher anderen Theorie Nelson und Platnick die Erscheinungen erklären, die der Darwinismus erklärt, besonders die adaptive Komplexität.
Keineswegs sind die transformierten Kladisten fundamentalistische Kreationisten. Meine eigene Interpretation ist, daß sie eine übertriebene Vorstellung von der Bedeutung der Taxonomie in der Biologie haben. Sie glauben, und vielleicht zu Recht, daß sie bessere Taxonomie betreiben können, wenn sie die Evolution vergessen, und besonders, wenn sie bei ihrem Denken über Taxonomie niemals den Begriff des Vorfahren verwenden. Entsprechend kann ein Erforscher von, sagen wir einmal, Nervenzellen, beschließen, daß es ihm nicht hilft, wenn er über Evolution nachdenkt. Der Nervenspezialist stimmt zwar zu, daß seine Nervenzellen das Produkt der Evolution sind, aber er braucht diese Tatsache in seiner Forschungstätigkeit nicht zu benutzen. Er muß eine Menge über Physik und Chemie wissen, ist aber der Meinung, daß der Darwinismus für seine tagtägliche Untersuchung von Nervenimpulsen irrelevant sei. Eine durchaus vertretbare Position. Aber man kann vernünftigerweise nicht sagen, daß, weil man eine bestimmte Theorie in der täglichen Praxis eines bestimmten Zweiges der Naturwissenschaft nicht braucht, diese Theorie daher falsch sei. Man wird es vielleicht sagen, wenn man die Bedeutung seines eigenen Zweiges der Naturwissenschaft für besonders großartig hält.
Selbst dann ist es nicht logisch. Ein Physiker braucht gewiß keinen Darwinismus, um seine Physik zu betreiben. Er könnte die Biologie im Vergleich zur Physik für ein unwichtiges Gebiet halten. Daraus folgt, daß der Darwinismus seiner Meinung nach von geringer Bedeutung für die Naturwissenschaft ist. Aber er könnte vernünftigerweise nicht daraus schließen, daß der Darwinismus daher falsch ist! Doch das gerade ist es, was einige der führenden Persönlichkeiten der Schule der transformierten Kladisten getan haben. »Falsch«, man beachte es wohl, ist genau das Wort, das Nelson und Platnick benutzten. Es erübrigt sich zu sagen, daß ihre Worte von den empfindlichen Mikrophonen aufgenommen wurden, die ich im vorigen Kapitel erwähnt habe; das Ergebnis war erhebliche Publicity. Sie haben sich einen Ehrenplatz in der fundamentalistischen, kreationistischen Literatur verdient. Als ein führender transformierter Kladist kürzlich kam, um in meiner Universität eine Gastvorlesung zu halten, zog er eine größere Menge Zuhörer an als jeder andere Gastprofessor in diesem Jahr! Es ist nicht schwer zu ahnen, warum.
Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, daß Bemerkungen wie: »Der Darwinismus ... ist eine Theorie, die getestet und für falsch befunden wurde« aus dem Munde namhafter Biologen, die dem Personal eines respektablen nationalen Museums angehören, eine Wonne sind für Kreationisten und andere, die an der Verbreitung von Unwahrheiten aktiv interessiert sind. Das ist der einzige Grund, warum ich meine Leser mit dem Thema des transformierten Kladismus überhaupt behelligt habe. Mark Ridley drückte es in seiner Rezension des Buches, in dem Nelson und Platnick den Darwinismus als falsch bezeichneten, etwas milder aus:
»Wer hätte ahnen können, daß das einzige, was sie wirklich meinten, war, Ahnenarten seien in der kladistischen
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