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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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angesprochen, einem gefeierten marxistischen Historiker und höchst gebildeten und belesenen Mann. Er sagte mir, er verstehe, daß die Fakten alle gegen die lamarckistische Theorie zu sein schienen, aber ob es wirklich keine Hoffnung gäbe, daß sie zutreffen könnte? Ich sagte ihm, daß meiner Ansicht nach keine solche Hoffnung bestehe, und er akzeptierte mit ehrlichem Bedauern und mit der Bemerkung, er hätte aus ideologischen Gründen gewünscht, der Lamarckismus träfe zu. Er böte so schöne Hoffnungen für eine Besserung der Menschheit. George Bernard Shaw widmete eines seiner großen Vorworte (in Back to Methuselah) einer leidenschaftlichen Verteidigung der Vererbung erworbener Eigenschaften. Seine Argumentation beruhte nicht auf biologischen Kenntnissen, die er nicht im geringsten besaß, wie er selbst gern zugegeben hätte. Sie beruhte auf einem emotionellen Abscheu vor den Implikationen des Darwinismus, jenem »Kapitel voller Zufälle«:
    »Es scheint einfach, weil man zuerst nicht merkt, was es alles bedeutet. Aber wenn dir die volle Bedeutung aufgeht, sinkt dein Herz in einen Haufen Sand in dir selbst. Es liegt ein scheußlicher Fatalismus darin, eine gräßliche und abscheuliche Herabsetzung von Schönheit und Intelligenz, von Stärke und Zielbewußtheit, von Ehre und Streben.«
    Arthur Koestler war ein weiterer berühmter Schriftsteller, der nicht ertragen konnte, was er als die Konsequenz des Darwinismus ansah. Wie Stephen Gould es sardonisch, aber korrekt ausgedrückt hat, führte Koestler mit seinen letzten sechs Büchern »eine Kampagne gegen sein eigenes Mißverständnis des Darwinismus«. Er suchte Zuflucht bei einer Alternative, die mir nie völlig klar wurde, aber als eine obskure Version des Lamarckismus bezeichnet werden kann. Koestler und Shaw waren Individualisten, die selber nachdachten. Ihre exzentrischen Ansichten über Evolution sind wahrscheinlich nicht sehr einflußreich gewesen, obwohl ich mich sehr gut erinnere, und dafür schäme, daß mich als Teenager Shaws bestrickende Rhetorik in Back to Methuselah von einer eigenen Urteilsbildung über den Darwinismus mindestens ein Jahr lang abgehalten hat. Die emotionale Anziehungskraft des Lamarckismus und die damit einhergehende Feindseligkeit gegen den Darwinismus haben zuweilen im Verbund mit mächtigen Ideologien, die als Ersatz für das Denken dienten, einen unheilvollen Einfluß gehabt. T. D. Lysenko war ein zweitrangiger Züchter landwirtschaftlicher Pflanzen, der sich durch nichts auszeichnete, es sei denn in der Politik. Sein antimendelscher Fanatismus und sein glühender dogmatischer Glaube an die Vererbung erworbener Eigenschaften wären in den meisten zivilisierten Ländern harmlos und unbeachtet geblieben. Bedauerlicherweise lebte er aber in einem Land, in dem Ideologie wichtiger war als wissenschaftliche Wahrheit. Im Jahre 1940 wurde er zum Direktor des Genetischen Instituts der Sowjetunion berufen und erwarb ungeheuren Einfluß. Seine von keinem Wissen getrübten Ansichten über Genetik durften eine Generation lang als die einzigen in den sowjetischen Schulen gelehrt werden. Unschätzbarer Schaden wurde der sowjetischen Landwirtschaft angetan. Viele hervorragende sowjetische Genetiker wurden verbannt, ins Exil geschickt oder in Gefängnisse gesteckt. N. I. Vavilow, ein Genetiker von Weltruf, starb an Unterernährung in einer fensterlosen Gefängniszelle, nachdem er ein langwieriges Gerichtsverfahren über eine lächerlich aufgebauschte Anklage wegen »Spionage für die Engländer« hatte über sich ergehen lassen.
    Es ist nicht möglich zu beweisen, daß erworbene Merkmale niemals vererbt werden. Aus demselben Grund, wie wir niemals beweisen können, daß es keine Feen gibt. Wir können nur sagen, daß niemals je Erscheinungen von Feen bestätigt worden sind und daß angebliche Fotografien von ihnen augenfällige Fälschungen sind. Dasselbe gilt für angebliche menschliche Fußspuren in texanischen Dinosaurierfundstellen. Einer kategorischen Feststellung von mir, daß Feen nicht existieren, steht die Möglichkeit entgegen, daß ich vielleicht eines Tages in der hintersten Ecke meines Gartens eine kleine Person mit zerbrechlichen Flügeln sehe. So steht es auch um die Theorie der Vererbung erworbener Eigenschaften. Nahezu alle Versuche, einen solchen Effekt nachzuweisen, schlugen schlicht fehl. Einige von den scheinbar erfolgreichen erwiesen sich als Fälschungen; etwa die hinlänglich bekannte Injektion von Tusche unter die

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