Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Haut der Geburtshelferkröte, die Arthur Koestler in seinem gleichnamigen Buch erzählt. Die übrigen konnten von anderen Leuten nicht wiederholt werden. Dennoch, geradeso, wie eines Tages jemand eine Fee hinten in seinem Garten sehen mag, wenn er nüchtern ist und eine Kamera mit sich führt, geradeso mag eines Tages jemand beweisen, daß erworbene Merkmale vererbt werden können.
Man kann jedoch noch ein bißchen mehr dazu sagen. Einige Dinge, die niemals glaubwürdig beobachtet wurden, sind dennoch glaubhaft, solange sie nicht alles andere, was wir wissen, in Frage stellen. Ich kenne keinen klaren Beweis für die Theorie, daß heute im Loch Ness Plesiosaurier leben, aber meine Weltanschauung würde nicht erschüttert, wenn man tatsächlich einen fände. Ich wäre einfach erstaunt (und entzückt), denn aus den letzten 60 Millionen Jahren sind keine Plesiosaurierfossilien bekannt, und das scheint ziemlich lange für das Überleben einer kleinen Restpopulation. Aber dabei stehen keine großen naturwissenschaftlichen Prinzipien auf dem Spiel. Es ist einfach eine Tatsachenfrage. Andererseits hat die Wissenschaft ein gründliches Verständnis davon zusammengetragen, wie das Universum funktioniert, ein Verständnis, das einen weiten Bereich von Phänomenen gut erklärt, und mit diesem Verständnis sind einige Behauptungen unvereinbar oder zumindest sehr schwer in Einklang zu bringen. Zum Beispiel für die Behauptung, die manchmal fälschlich aus biblischen Quellen herausgelesen wird, daß das Universum vor nur etwa 6000 Jahren geschaffen wurde. Diese Theorie ist nicht nur nicht bewiesen. Sie ist auch nicht nur mit der orthodoxen Biologie und Geologie, sondern mit der physikalischen Theorie der Radioaktivität und mit der Kosmologie unvereinbar (Himmelskörper, die weiter als 6000 Lichtjahre entfernt sind, dürften nicht sichtbar sein, wenn nichts existierte, das älter als 6000 Jahre ist; wir dürften die Milchstraße gar nicht sehen, ebensowenig irgendeine der 100 Milliarden anderer Galaxien, deren Existenz die moderne Kosmologie anerkennt).
Es hat Zeiten in der Geschichte der Naturwissenschaft gegeben, in denen die gesamte orthodoxe Wissenschaft zu Recht von einem einzigen störenden Faktum über den Haufen geworfen worden ist. Es wäre arrogant, wollte man behaupten, daß solche Revolutionen niemals wieder vorkommen werden. Aber bevor wir eine Tatsache anerkennen, die ein wichtiges und erfolgreiches wissenschaftliches Gebäude umstürzt, verlangen wir selbstverständlich und sehr zu Recht ein höheres Maß an gültigen Beweisen, als wenn es um eine Tatsache geht, die zwar überraschend, jedoch mit unserer bestehenden Naturwissenschaft leicht in Einklang zu bringen ist. Hinsichtlich eines Plesiosauriers im Loch Ness würde ich den Beweis meiner eigenen Augen akzeptieren. Wenn ich sähe, wie sich jemand vor mir in die Luft erhebt, würde ich, bevor ich die ganze Physik verwerfe, argwöhnen, Opfer einer Halluzination oder eines Zauberkunststücks zu sein. Es gibt alle Zwischenstufen von Theorien, die wahrscheinlich nicht zutreffen, aber leicht richtig sein könnten, bis hin zu Theorien, die nur zutreffend sein könnten, wenn man große Gedankengebäude erfolgreicher orthodoxer Naturwissenschaft umstürzte.
Wo steht nun der Lamarckismus in diesem Kontinuum? Er wird gewöhnlich als etwas hingestellt, das ziemlich dicht an der »Nicht zutreffend, könnte aber leicht stimmen«-Marke des Kontinuums angesiedelt ist. Ich möchte den Beweis antreten, daß der Lamarckismus (oder genauer: die Vererbung erworbener Eigenschaften) sich zwar nicht in derselben Klasse befindet wie Levitation durch Kraft des Gebetes, doch dem »Levitations«-Ende des Kontinuums näher ist als dem »Loch-Ness-Monster«-Ende. Die Vererbung erworbener Eigenschaften ist nicht etwas, das vielleicht richtig sein könnte, es aber wahrscheinlich nicht ist. Ich möchte nachweisen, daß es nur zutreffen könnte, wenn eines unserer meistgeschätzten und erfolgreichsten Prinzipien der Embryologie umgeworfen wird. Der Lamarckismus muß daher mit viel mehr Skepsis betrachtet werden, als dem Loch-Ness-Monster angemessen ist. Welches ist nun aber dieses allgemein akzeptierte und erfolgreiche embryologische Prinzip, das über den Haufen geworfen werden müßte, bevor der Lamarckismus akzeptiert werden könnte? Dazu ist eine Erklärung nötig. Diese Erklärung wird wie ein Exkurs aussehen, wird sich aber schließlich als relevant erweisen. Und man behalte im Kopf: Das
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