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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Kreativität nicht mehr zu unterscheiden.
    Die Computerspiele mit Biomorphen führen uns diese Dinge sehr deutlich vor Augen und bilden eine lehrreiche Brücke zwischen kreativen Prozessen der Menschen - wie der Planung einer Gewinnstrategie beim Schach - und der evolutionären Kreativität der natürlichen Auslese, dem blinden Uhrmacher. Um das zu begreifen, müssen wir uns das Land der Biomorphe als einen mathematischen »Raum« vorstellen, eine endlose, aber geordnete Reihe morphologischer Vielfältigkeit, wo jede Kreatur an ihrem korrekten Platz sitzt und darauf wartet, entdeckt zu werden. Die 17 Kreaturen in Abb. 5 sind nach keinem besonderen System auf der Seite angeordnet. Aber im Land der Biomorphe selbst besetzt jede ihre eigene, einzigartige, durch ihre genetische Formel bestimmte Position und ist von ihren eigenen besonderen Nachbarn umgeben. Alle Geschöpfe im Land der Biomorphe stehen in einer definitiven räumlichen Beziehung zueinander. Was bedeutet das? Welche Bedeutung können wir der räumlichen Position zuordnen?
    Der Raum, von dem wir sprechen, ist genetischer Raum. Jedes Tier besitzt seine eigene Position im genetischen Raum. Nahe Nachbarn im genetischen Raum sind Tiere, die sich durch nur eine einzige Mutation voneinander unterscheiden. In Abb. 3 ist der Grundbaum im Zentrum von acht seiner 18 unmittelbaren Nachbarn im genetischen Raum umgeben. Wenn wir die Regeln unseres Computermodells als gegeben annehmen, sind die 18 Nachbarn eines Tieres die 18 verschiedenen Arten von Jungen, die es hervorbringen kann, und die 18 verschiedenen Sorten von Eltern, von denen es hätte abstammen können. In einer Generation besitzt jedes Tier 324 Nachbarn (18x18, wobei wir der Einfachheit halber Rückmutationen außer acht lassen), den ganzen Satz seiner möglichen Enkel, Tanten oder Nichten. In einer weiteren Generation hat jedes Tier 5832 (18x18x18) Nachbarn, die Gesamtheit möglicher Großenkel, Urgroßeltern, Vettern ersten Grades usw.
    Was ist das Wichtige am Denken in genetischem Raum? Wohin führt es uns? Die Antwort lautet: Es ermöglicht uns, die Evolution als einen schrittweisen, kumulativen Prozeß zu verstehen. Nach den Regeln unseres Computermodells ist es in jeder einzelnen Generation nur möglich, einen einzigen Schritt durch den genetischen Raum weiterzugehen. In 29 Generationen können wir uns im genetischen Raum nicht weiter als 29 Schritte von dem Vorfahren entfernen, der den Ausgangspunkt darstellte. Jede Evolutionsgeschichte besteht aus einem speziellen Pfad, oder einer besonderen Bahn, durch den genetischen Raum. Beispielsweise ist die in Abb. 4 aufgezeichnete Evolutionsgeschichte eine besondere, sich windende Bahn durch den genetischen Raum, die einen Punkt mit einem Insekt verbindet und durch 28 Zwischenstadien verläuft. Das genau meine ich, wenn ich die Metapher vom »Wandern« durch das Land der Biomorphe gebrauche.
    Ich wollte versuchen, diesen genetischen Raum als Bild darzustellen. Die Schwierigkeit dabei ist, daß Bilder zweidimensional sind. Der genetische Raum, in dem die Biomorphe sitzen, ist jedoch kein zweidimensionaler Raum. Es ist ein neundimensionaler Raum! (Wichtig an der Mathematik ist, nicht zu vergessen, daß man sich nicht ängstigen lassen darf. Sie ist nicht so schwierig, wie die mathematische Priesterschaft manchmal vorgibt. Immer, wenn ich mich eingeschüchtert fühle, denke ich an Silvanus Thompsons Ausspruch in Calculus made easy: »Was ein Narr kann, kann ein anderer auch.«) Könnten wir neundimensional zeichnen, so könnten wir es erreichen, daß jede Dimension einem der neun Gene entspricht. Die Position eines bestimmten Tieres, sagen wir, des Skorpions oder der Fledermaus oder des Insekts, ist im genetischen Raum durch die Zahlenwerte seiner neun Gene festgelegt. Evolutionäre Veränderung besteht aus einem schrittweisen Spaziergang durch einen neundimensionalen Raum. Die Menge an genetischem Unterschied zwischen zwei Tieren und somit die nötige Zeit für die Evolution sowie die Schwierigkeit, sich von einem zum andern zu entwickeln, wird als der Abstand im neundimensionalen Raum zwischen den beiden Tieren gemessen.
    Leider können wir nicht in neun Dimensionen zeichnen. So habe ich mir eine Methode ausgedacht, wie wir mogeln können, d. h., wie wir ein zweidimensionales Bild zeichnen können, das etwas Ähnliches wiedergibt wie den Eindruck, wenn man sich im neundimensionalen genetischen Raum im Land der Biomorphe von Punkt zu Punkt bewegt. Dafür gibt es

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