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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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einen dieser Sprünge. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, daß man durch reines Glück zu irgendeinem speziellen Bestimmungsort springt, etwa zu dem Fuchs, leicht zu errechnen. Sie entspricht einfach der gesamten Zahl der Biomorphe im Raum. Wie man sieht, stehen wir am Anfang einer weiteren dieser astronomischen Rechnungen. Es gibt neun Gene, von denen jedes jeden beliebigen von 19 Werten annehmen kann. Somit ist die Gesamtzahl der Biomorphe, zu denen wir mit einem einzelnen Schritt springen könnten, 19 multipliziert mit sich selbst, und das neunmal: 19 in der 9. Potenz. Das läuft auf etwa eine halbe Billion Biomorphe hinaus. Wenig, verglichen mit Asimovs »Hämoglobinzahl«, aber immer noch eine Zahl, die ich als groß bezeichnen würde. Wenn ich bei dem Insekt begänne und wie wahnsinnig geworden eine Billion mal spränge, könnte ich erwarten, bei dem Fuchs anzukommen.
    Was sagt uns all das nun aber über die wirkliche Evolution? Wieder einmal stößt es uns mit der Nase auf die Bedeutung der graduellen, schrittweisen Veränderung. Es hat Evolutionisten gegeben, die verneint haben, daß ein derartiger Gradualismus in der Evolution nötig sei. Unsere Rechnung mit den Biomorphen zeigt uns jedoch unbarmherzig deutlich einen Grund, warum die graduelle, schrittweise Veränderung wichtig ist. Wenn ich sage, man kann von der Evolution erwarten, daß sie von einem Insekt zu einem seiner unmittelbaren Nachbarn springt, aber nicht, daß sie vom Insekt direkt zum Fuchs oder Skorpion springt, so meine ich damit genau folgendes: Wenn es tatsächlich echte Zufallssprünge gäbe, dann wäre ein Sprung vom Insekt zum Skorpion ohne weiteres möglich. Er wäre ebenso wahrscheinlich wie ein Sprung vom Insekt zu einem unmittelbaren Nachbarn. Aber er wäre auch gerade ebenso wahrscheinlich wie ein Sprung zu irgendeinem anderen Biomorph im Land. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Denn die Zahl der Biomorphe im Land ist eine halbe Billion, und wenn keiner von ihnen als Bestimmungsort irgendwie wahrscheinlicher ist als irgendein anderer, so sind die Chancen, daß der Sprung bei irgendeinem besonderen Biomorph endet, so klein, daß man sie vernachlässigen kann.
    Man beachte, daß es uns nicht hilft, wenn wir annehmen, es gäbe einen mächtigen nichtzufälligen »Selektionsdruck«. Es wäre völlig gleichgültig, ob man mir einen königlichen Preis dafür verspräche, falls ich das Glück hätte, beim Skorpion anzukommen. Die Chance dagegen, daß es mir gelingt, bleibt immer noch eine halbe Billion zu eins. Wenn ich jedoch ginge, statt zu springen, und ginge Schritt für Schritt, und man gäbe mir jedesmal, wenn ich zufällig einen Schritt in die richtige Richtung täte, eine kleine Belohnung, so würde ich den Skorpion in sehr kurzer Zeit erreichen. Nicht unbedingt in der kürzest möglichen Zeit von 30 Generationen, aber doch sehr schnell. Mit Sprüngen könnte ich mir theoretisch den Preis schneller holen - mit einem einzigen Sprung. Aber wegen der astronomischen Unwahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein, ist eine Reihe kleiner Schritte, von denen jeder auf dem akkumulierten Erfolg früherer Schritte aufbaut, der einzige praktikable Weg.
    Der Ton der vorangehenden Absätze läßt ein Mißverständnis zu, das ich nun ausschließen muß. Es klingt wieder einmal so, als hätte Evolution mit entfernten Zielen zu tun, wenn sie auf etwas wie Skorpione abzielt. Wir haben gesehen, daß sie das nie tut. Wenn wir uns aber unser Ziel denken als irgend etwas, das die Überlebenschance verbessern würde, so bleibt das Argument immer noch gültig. Wenn ein Tier ein Elter ist, so muß es gut genug sein, um wenigstens bis ins Erwachsenenalter überlebt zu haben. Es ist möglich, daß ein durch Mutation entstandenes Kind jenes Elters sogar besser im Überleben ist. Wenn das Kind aber stark mutiert, d. h. so, daß es sich eine große Strecke im genetischen Raum von seinem Elter entfernt hat, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, daß es besser als sein Elter ist? Die Antwort lautet, die Chancen dafür sind tatsächlich sehr gering. Und zwar aus demselben Grund wie bei unserem Biomorphmodell. Wenn der betrachtete Mutationssprung sehr groß ist, so ist die Zahl der möglichen Bestimmungsorte dieses Sprungs astronomisch hoch. Und da, wie wir in Kapitel 1 gesehen haben, die Zahl der verschiedenen Arten und Weisen, tot zu sein, sehr viel größer ist als die Zahl der verschiedenen Weisen des Lebendigseins, sind die Chancen, daß ein großer

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