Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Im Idealfall sollte die feindliche Umwelt andere durch Evolution veränderliche Biomorphe enthalten: »Räuber«, »Beute«, »Parasiten«, »Konkurrenten«. So sollte die besondere Gestalt eines Beutebiomorphs dafür bestimmend sein, ob es mehr oder weniger in Gefahr ist, von speziellen Formen von Räuberbiomorphen gefangen zu werden oder nicht. Solche Gefährdungskriterien sollten nicht vom Programmierer eingebaut werden. Sie sollten in derselben Weise auftauchen, wie die Gestalten selbst entstehen. Dann würde die Evolution im Computer richtig losgehen, weil die Voraussetzungen für ein sich selbst verstärkendes »Wettrüsten« (s. Kap. 7) erfüllt wären, und ich wage nicht, Vermutungen darüber anzustellen, wo das alles enden würde. Leider glaube ich, daß es vielleicht außerhalb meiner Programmierkünste liegt, eine solche Spiegelbildwelt aufzubauen.
Wenn jemand schlau genug dazu ist, dann sind das die Programmierer, die jene lauten, in Spielhallen weitverbreiteten Spiele entwickeln - »Invasoren aus dem Weltall«. In diesen Programmen ist eine Spiegelbildwelt simuliert. Sie besitzt häufig eine dreidimensionale Geographie und eine sich rasch bewegende Zeitdimension. In einem simulierten dreidimensionalen Raum sausen Gebilde herum, kollidieren miteinander, schießen einander ab, verschlingen sich gegenseitig, wobei sie abscheuliche Geräusche ausstoßen. Die Simulation kann so gut sein, daß der Spieler am Kontrollhebel allen Ernstes glaubt, er sei selbst Teil der Scheinwelt. Der Gipfel dieser Art von Programmierung dürfte in den Kammern erreicht werden, in denen Flugzeug- und Raumfahrzeugpiloten trainiert werden. Aber selbst diese Programme sind nur Bagatellen im Vergleich zu dem Programm, das geschrieben werden müßte, wollte man ein entstehendes »Wettrüsten« zwischen Räubern und Beute, eingebettet in ein vollständiges Spiegelbild-Ökosystem, simulieren. Doch wäre es mit Sicherheit machbar. Wenn sich irgendwo ein professioneller Programmierer herausgefordert fühlt mitzuarbeiten, so würde ich gern von ihm oder von ihr hören.
Inzwischen kann ich etwas anderes tun, das viel leichter ist und das ich ausprobieren will, sobald der Sommer kommt. Ich werde den Computer an einen schattigen Platz im Garten stellen. Auf dem Bildschirm sind farbige Aufzeichnungen möglich. Ich besitze bereits eine Version des Programms, die ein paar mehr »Gene« benutzt, um die Farbe zu bestimmen - auf dieselbe Weise, wie die anderen neun Gene die Form bestimmen. Ich beginne mit irgendeinem mehr oder weniger kompakten und leuchtend farbigen Biomorph. Der Computer wird gleichzeitig eine Reihe durch Mutation entstandener Nachkommen des Biomorphs zeigen, die sich in Form und/oder Farbmuster unterscheiden. Ich nehme an, daß Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten den Bildschirm anfliegen und »wählen« werden, indem sie einen speziellen Punkt auf dem Bildschirm anfliegen. Nach einer bestimmten Anzahl von »Wählerstimmen« wird der Computer den Bildschirm leer wischen, das bevorzugte Biomorph »weiterzüchten« und die nächste Generation mutanter Nachkommen zeigen.
Ich habe große Hoffnung, daß die freilebenden Insekten tatsächlich eine über viele Generationen laufende Evolution von Blumen im Computer hervorrufen werden. Dann werden sich die Computerblumen unter genau demselben Selektionsdruck herausgebildet haben, der in der echten Welt die Evolution echter Blumen verursacht hat. Ich werde dabei dadurch ermutigt, daß Insekten häufig Farbflecken auf Frauenkleidern anfliegen (sowie auch durch in der Fachliteratur veröffentlichte systematischere Experimente). Eine andere Möglichkeit wäre sogar noch aufregender: daß die wilden Insekten die Evolution von insektenähnlichen Formen hervorbringen könnten. Der Präzedenzfall dafür - und daher der Grund zur Hoffnung - ist, daß Bienen in der Vergangenheit die Evolution der Bienenragwurz ausgelöst haben. Während vieler Generationen kumulativer Ragwurzevolution haben männliche Bienen die bienenähnliche Form aufgebaut, indem sie mit Blüten zu kopulieren versuchten und somit den Pollen weitergetragen haben. Man stelle sich die »Bienenragwurz« in Abb. 5 farbig vor. Würden wir die Blüte nicht anziehend finden, wenn wir eine Biene wären?
Der einzige Grund, pessimistisch zu sein, ist, daß das Sehen der Insekten ganz anders funktioniert als unser Sehen. Videobildschirme sind für das menschliche Auge entworfen, nicht für Bienenaugen. Das könnte leicht bedeuten,
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