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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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daß Menschen und Bienen die Bienenragwurz trotz der sehr unterschiedlichen Sehweise zwar als bienenähnlich erkennen, daß Bienen aber möglicherweise überhaupt keine Bilder auf dem Videobildschirm sehen. Vielleicht sehen sie nichts als 625 Zeilen! Immerhin ist es einen Versuch wert. Bis dieses Buch auf den Markt kommt, werde ich die Antwort wissen.
    Es gibt ein bekanntes Schlagwort, gewöhnlich in einem Ton vorgetragen, den Stephen Potter »plonking« (soviel wie »Peng!«) genannt hätte, und das besagt, man könne aus Computern nicht mehr herausholen, als man hineingetan habe. Eine andere Version lautet: Computer tun exakt das, was man ihnen sagt, und sind daher niemals schöpferisch. Dieses Schlagwort ist nur in einem schrecklich belanglosen Sinne richtig, in dem Sinne nämlich, daß Shakespeare niemals etwas anderes geschrieben hat als das, was ihm sein Grundschullehrer beigebracht hat - Wörter. Ich programmierte den Computer mit EVOLUTION, aber ich plante keineswegs »meine« Insekten, ebensowenig den Skorpion, den Spitfire oder die Mondlandefähre. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, daß sie auftauchen würden, deshalb ist »auftauchen« das richtige Wort. Zwar waren es meine Augen, die die Auslese vornahmen, um ihre Evolution zu lenken, aber in jedem Stadium war ich auf eine kleine Zahl von Nachkommen beschränkt, die mir durch zufällige Mutation zur Verfügung gestellt waren, und meine Auslese»strategie« war nun einmal opportunistisch, launisch und kurzfristig. Ich zielte nicht auf irgendein entferntes Ziel, ebensowenig wie die natürliche Auslese.
    Ich kann es dramatischer machen, indem ich von dem einen einzigen Mal erzähle, bei dem ich tatsächlich ein entferntes Ziel anzupeilen versuchte. Zuerst muß ich allerdings etwas gestehen. Der Leser wird es vielleicht sowieso schon ahnen. Die Evolutionsgeschichte von Abb. 4 ist eine Rekonstruktion. Es war nicht das erste Mal, daß ich »meine« Insekten gesehen hatte. Als sie zu Fanfarenstößen das erste Mal auftauchten, hatte ich keine Möglichkeit, ihre Gene festzuhalten. Da waren sie, saßen auf meinem Computerbildschirm, und ich konnte nicht an sie heran, konnte ihre Gene nicht entziffern. Ich schaltete den Computer nicht ab, sondern marterte mein Hirn, um eine Möglichkeit zu finden, wie ich sie retten könnte, aber es gab keine. Die Gene waren zu tief verborgen, geradeso wie im wirklichen Leben auch. Ich konnte Bilder von den Körpern der Insekten ausdrucken, aber ich hatte ihre Gene verloren. Unverzüglich veränderte ich das Programm, damit ich in Zukunft zugängliche Listen genetischer Formeln hätte, aber es war zu spät. Ich hatte meine Insekten verloren.
    Nun wollte ich sie wieder»finden«. Waren sie einmal entstanden, so mußte es doch wohl möglich sein, sie wieder zu entwickeln. Sie verfolgten mich wie ein verlorener Akkord. Ich durchwanderte das Land der Biomorphe, bewegte mich durch eine endlose Landschaft seltsamer Kreaturen und Dinge, aber ich konnte meine Insekten nicht finden. Aber ich wußte, daß sie dort irgendwo lauern mußten. Ich wußte, von welchen Genen die ursprüngliche Evolution ausgegangen war. Ich besaß einen Ausdruck von den Körpern meiner Insekten. Ja ich hatte sogar einen Ausdruck von der evolutionären Sequenz von Körpern, die allmählich von einem punktförmigen Vorfahren zu meinen Insekten führten. Aber ich kannte ihre genetische Formel nicht.
    Man könnte meinen, es müßte leicht sein, den Evolutionspfad zu rekonstruieren. Aber das war es nicht. Der Grund, auf den ich noch zu sprechen komme, ist die astronomische Zahl möglicher Biomorphe, die auf einem genügend langen Evolutionspfad entstehen können, selbst wenn wir es nur mit neun variierenden Genen zu tun haben. Mehrere Male während meiner Pilgerfahrt durch das Land der Biomorphe schien ich einem Vorgänger meiner Insekten nahe zu kommen, aber dann verlief - ungeachtet aller Anstrengungen, die ich als auslesendes Agens unternahm - die Evolution in eine falsche Richtung. Eines Tages, während meiner evolutionären Wanderung durch das Land der Biomorphe, hatte ich sie endlich gestellt - das Triumphgefühl war kaum geringer als beim ersten Mal. Ich wußte nicht (und weiß es immer noch nicht), ob diese Insekten ganz genau dieselben waren wie meine ursprünglichen, die »verlorenen Akkorde des Zarathustra«, oder ob sie nur oberflächlich »konvergent« waren (s. nächstes Kapitel), aber ich war zufrieden. Dieses Mal machte ich keinen Fehler: Ich schrieb

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