Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Schnittlinie durch den tierischen Raum ist, einer Linie, auf der jeder Abschnitt einen Beitrag zu Überleben und Fortpflanzung leistete. Wo immer wir in einem realen lebenden Tier ein X vorfinden - wobei X für ein Organ stellt, das zu komplex ist, um durch Zufall in einem einzigen Schritt entstanden zu sein -, muß es nach der Theorie einer Evolution durch natürliche Auslese so sein, daß ein Bruchteil eines X besser ist als überhaupt kein X, und daß zwei Bruchteile eines X besser sind als einer, und ein ganzes X besser als 9 / 10 vom X. Es bereitet mir nicht die geringsten Schwierigkeiten zu akzeptieren, daß diese Aussagen zutreffen auf Augen, Ohren einschließlich Fledermausohren, Flügel, getarnte und Mimikry betreibende Insekten, Schlangenkiefer, Stachel, Kuckucks verhalten und alle anderen Beispiele, die in der Propaganda gegen die Evolutionstheorie so zahlreich aufgeführt werden. Zweifellos gibt es eine Menge denkbarer Xe, auf die diese Aussagen nicht zutreffen, eine Menge denkbarer evolutionärer Bahnen, bei denen die Zwischenstufen keine Verbesserungen gegenüber ihren Vorgängern bedeuten würden. Aber diese Xe treffen wir in der realen Welt nicht an.
Darwin schrieb (in Die Entstehung der Arten):
»Wenn bewiesen werden könnte, daß irgendein komplexes Organ existierte, das unmöglich durch zahlreiche aufeinanderfolgende leichte Modifikationen entstanden sein kann, so würde meine Theorie völlig zusammenbrechen.«
125 Jahre später wissen wir eine Menge mehr über Tiere und Pflanzen als Darwin, und ich kenne immer noch keinen einzigen Fall eines komplexen Organs, das nicht durch zahlreiche aufeinanderfolgende leichte Modifikationen entstanden sein könnte. Ich glaube nicht, daß solch ein Fall jemals gefunden wird. Sollte er gefunden werden - es wird ein wirklich komplexes Organ sein müssen, und wir müssen, wie in späteren Kapiteln noch zu sehen sein wird, hohe Ansprüche stellen an das, was wir mit »leicht« meinen -, so werde ich aufhören, an den Darwinismus zu glauben.
Manchmal ist die Geschichte der aufeinanderfolgenden Zwischenstufen deutlich aus der Gestalt rezenter Tiere abzulesen, sogar in Form krasser Unvollkommenheiten in der endgültigen Gestalt. Stephen Gould hat in seinem hervorragenden Essay über den Daumen des Panda das Argument benutzt, die Evolution ließe sich durch den Nachweis eindrucksvoller Unvollkommenheiten stärker verteidigen als durch den Beweis der Perfektion. Ich möchte lediglich zwei Beispiele nennen.
Auf dem Meeresboden lebende Fische haben einen Vorteil davon, flach zu sein und sich den Konturen anzupassen. Es gibt zwei sehr verschiedene Sorten flacher Fische, die auf dem Meeresboden leben, und sie haben ihre Flachheit auf sehr verschiedene Weise erworben. Rochen und andere Knorpelfische, Verwandte der Haie, sind auf eine Weise flach geworden, die man als naheliegend bezeichnen könnte. Ihre Körper haben sich verbreitert und große »Seitenflügel« gebildet. Sie sind wie Haie, die von einer Dampfwalze überrollt wurden, aber sie blieben symmetrisch und behielten »die richtige Seite oben«. Plattfische wie Seezunge, Schollen und ihre Verwandten sind auf eine andere Weise flach geworden. Sie sind Knochenfische (mit Schwimmblasen), verwandt mit Heringen, Forellen usw. und haben nichts mit Haien zu tun. Anders als Haie haben Knochenfische in der Regel eine deutliche Tendenz, sich in vertikaler Richtung abzuflachen. Ein Hering beispielsweise ist viel »höher« als breit. Er benutzt seinen ganzen, vertikal abgeflachten Körper als schwimmende Oberfläche, die sich durch das Wasser schlängelt, wenn er schwimmt. Es ist daher natürlich, daß die Vorfahren von Flunder und Seezunge, als sie sich auf den Meeresgrund begaben, sich auf eine Seite legten und nicht auf den Bauch, wie die Vorfahren von Rochen und Bodenhaien. Damit aber entstand das Problem, daß eins ihrer Augen immer hinunter in den Sand schaute und de facto nutzlos war. Im Verlauf der Evolution wurde dieses Problem gelöst, indem das untere Auge »herumwanderte«, bis es auf die obere Seite zu liegen kam.
Wir können diesen Vorgang des Herumwanderns bei der Entwicklung jedes Plattfisches verfolgen. Ein junger Plattfisch schwimmt zu Beginn seines Lebens nahe der Oberfläche und ist symmetrisch und vertikal abgeflacht wie ein Hering. Dann aber beginnt sein Schädel in einer sonderbaren, asymmetrisch verdrehten Weise zu wachsen, so daß ein Auge, etwa das linke, über den oberen Teil des Kopfes hinweg
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