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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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eine bestimmte Entfernung gegeben haben, so kurz sie auch gewesen sein mag, die mit dem Hautlappen übersprungen werden konnte und ohne Hautlappen nicht.
    Oder wenn prototypische Flügellappen dazu dienten, den Fall des Tieres zu mildern, so kann man nicht sagen, »unterhalb einer gewissen Größe seien die Hautlappen absolut nutzlos gewesen«. Auch hier kommt es nicht darauf an, wie klein und wie wenig flügelartig die ersten Flügellappen waren. Es muß eine Höhe geben, nennen wir sie h, so groß, daß sich ein Tier, falls es von dort herunterfiele, gerade das Genick brechen würde; es würde aber gerade überleben, wenn es von einer geringfügig niedrigeren Höhe herunterfiele. In dieser kritischen Zone kann jede Verbesserung in der Fähigkeit der Körperoberfläche, Luft aufzufangen und den Fall zu mindern, wie klein auch immer sie sein mag, den Unterschied zwischen Tod und Leben ausmachen. Die natürliche Auslese wird dann leichte, prototypische Flügellappen begünstigen. Wenn diese kleinen Flügellappen zur Norm geworden sind, wird die kritische Höhe h geringfügig höher werden. Nun wird ein weiterer leichter Zuwachs in den Flügellappen über Leben und Tod entscheiden. Und so weiter, bis wir richtige Flügel haben.
    Unter den heute lebenden Tieren gibt es genügend, die jedes Stadium in diesem Kontinuum auf schöne Weise illustrieren. Es gibt Frösche, die mit großen Flughäuten zwischen den Zehen dahingleiten. Baumschlangen mit abgeflachten Körpern, die die Luft auffangen, Eidechsen mit Hautlappen längs des Körpers und mehrere verschiedene Sorten von Säugetieren, die mit zwischen den Gliedern aufgespannten Membranen dahingleiten und uns zeigen, auf welche Weise die Fledermäuse einst begonnen haben müssen. Im Gegensatz zu dem, was wir in der kreationistischen Literatur lesen, sind nicht nur Tiere mit »einem halben Flügel« üblich, sondern auch solche mit einem viertel Flügel, dreiviertel Flügel usw. Der Gedanke eines fliegenden Kontinuums wird sogar noch überzeugender, wenn wir uns daran erinnern, daß sehr kleine Tiere dazu neigen, sanft in der Luft zu schweben, gleichgültig, welche Gestalt sie haben; überzeugend aus eben dem Grunde, daß ein infinitesimal abgestuftes Kontinuum von klein und groß existiert.
    Die Vorstellung winziger Veränderungen, die über viele Schritte akkumuliert werden, ist eine unendlich machtvolle Idee, um eine enorme Spanne von Dingen zu erklären, welche andernfalls unerklärlich wäre. Wie begann das Schlangengift? Viele Tiere beißen, und der Speichel jedes Tieres enthält Proteine, die, sobald sie in eine Wunde geraten, eine allergische Reaktion hervorrufen können. Sogar sogenannte nichtgiftige Schlangen können Bisse beibringen, die bei einigen Menschen eine schmerzhafte Reaktion hervorrufen. Es gibt eine kontinuierliche, abgestufte Serie von gewöhnlichem Speichel zu tödlichem Gift.
    Wie sind die Ohren entstanden? Jedes beliebige Stück Haut kann Vibrationen entdecken, wenn es mit schwingenden Objekten in Berührung kommt, eine natürliche Nebenerscheinung des Tastsinns. Die natürliche Auslese konnte diese Fähigkeit leicht um geringe Grade erhöhen, bis sie sehr schwache Berührungsschwingungen auffangen konnte. An diesem Punkt wäre sie automatisch empfindlich genug gewesen, um luftübertragene Schwingungen von ausreichender Lautstärke und/oder ausreichender Nähe der Schallquelle aufzufangen. Die natürliche Auslese würde dann die Evolution spezieller Organe - der Ohren - zum Erfassen luftübertragener Schwingungen fördern, die aus ständig größeren Entfernungen stammen. Es ist leicht einzusehen, daß es über die ganze Spannweite eine lückenlose Reihe schrittweiser Verbesserungen gegeben haben dürfte. Wie fing die Echoortung an? Jedes Tier, das überhaupt hören kann, kann Echos hören. Blinde Menschen lernen oft, sich dieser Echos zu bedienen. Eine rudimentäre Version einer solchen Fertigkeit bei vorzeitlichen Säugetieren hätte genügend Rohmaterial geliefert, an der die natürliche Auslese ansetzen konnte, bis sie schrittweise die höchste Perfektion bei den Fledermäusen erreichte.
    Ein Sehvermögen von fünf Prozent ist besser als gar keine Sicht. Ein fünfprozentiges Hörvermögen ist besser, als überhaupt nicht zu hören. Ein fünfprozentiges Fliegenkönnen ist besser, als überhaupt nicht zu fliegen. Es ist durchaus glaubhaft, daß jedes Organ oder jede Vorrichtung, die wir heute sehen, das Produkt einer zusammenhängenden

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