Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Beuteltiere. In Australien wurde der Beutelwolf (häufig auch Tasmanischer Wolf genannt, denn in Tasmanien überlebte er ein wenig länger als in Australien) auf tragische Weise ausgerottet. Das liegt so kurze Zeit zurück, daß es noch Zeugen dafür gibt, daß er in gewaltiger Zahl als »Plage« oder »zum Vergnügen« der Menschen abgeschlachtet wurde. (Es gibt eine schwache Hoffnung, daß er in entlegenen Teilen Tasmaniens vielleicht noch überlebt hat, in Gegenden, die nun, um Menschen Arbeit zu verschaffen, von der Zerstörung bedroht sind.) Er darf, nebenbei, nicht mit dem Dingo verwechselt werden, der ein echter Hund ist und in vorgeschichtlicher Zeit von den Aborigines nach Australien eingeführt wurde. Ein in den dreißiger Jahren gedrehter Film über den letzten bekannten Beutelwolf, der ruhelos in seinem einsamen Zookäfig hin und her schreitet, zeigt ein seltsam hundeähnliches Tier, dessen Beuteltiernatur nur an der wenig hundeähnlichen Art, Becken und Hinterbeine zu halten (was vermutlich etwas mit seinem Beutel zu tun hat), zu erkennen ist. Für jeden Hundefreund ist der Anblick dieses alternativen Hunde-Entwurfs, dieses Reisenden auf einem 100 Millionen Jahre entfernten Parallelweg der Evolution, dieses z. T. vertrauten, zum Teil jedoch ganz und gar fremden Hundes aus einer anderen Welt, eine bewegende Erfahrung. Vielleicht waren sie tatsächlich eine Plage für die Menschen, aber die Menschen waren eine viel größere Plage für die Beutelwölfe. Nun sind keine Beutelwölfe übriggeblieben, aber wir haben eine beträchtliche Überzahl an Menschen.
Auch in Südamerika gab es während der langen Periode der Isolation keine echten Hunde und Katzen, aber es gab, wie in Australien, die entsprechenden Beuteltier-Äquivalente. Das wahrscheinlich Spektakulärste war Thylacosmilus, der genauso aussah wie der in der Eiszeit ausgestorbene Säbelzahn»tiger« der Alten Welt, nur noch eindrucksvoller. Sein säbelbewehrter Rachen war sogar noch weiter, und ich stelle mir vor, daß er sogar noch erschreckender war. Sein Name hält seine oberflächliche Ähnlichkeit mit Säbeltiger (Smilodon) und Tasmanischem Wolf (Thylacinus) fest, aber seine Vorfahren waren sehr weit von beiden entfernt. Mit dem Tasmanischen Wolf hat er immerhin noch gemeinsam, daß beide Beuteltiere sind, aber beide haben ihre Gestalt als große Fleischfresser auf verschiedenen Kontinenten entwickelt, unabhängig voneinander und von den plazentalen Fleischfressern, den echten Katzen und Hunden der Alten Welt.
Australien, Südamerika und die Alte Welt bieten zahlreiche weitere Beispiele mannigfacher konvergenter Evolution. Australien besitzt einen Beutelmaulwurf, oberflächlich betrachtet von den vertrauten Maulwürfen anderer Kontinente fast nicht zu unterscheiden, aber mit Beutel ausgestattet; er erwirbt seine Nahrung auf dieselbe Weise wie andere Maulwürfe und besitzt dieselben enorm starken Vorderbeine zum Graben. Es gibt in Australien auch eine Beutelmaus, obwohl hier die Ähnlichkeit nicht so stark ist und das Beuteltier seine Nahrung nicht ganz auf dieselbe Weise erwirbt. Das Fressen von Ameisen (wobei wir aus Bequemlichkeit annehmen, daß »Ameisen« auch die Termiten einschließt - eine weitere Konvergenz, wie wir sehen werden) ist ein »Beruf«, der von verschiedenen Säugetieren konvergent ergriffen wurde. Wir können sie in Ameisenfresser, die Erdlöcher graben, Ameisenfresser, die auf Bäume klettern, und Ameisenfresser, die über den Boden wandern, unterteilen. In Australien gibt es, wie zu erwarten, einen Beutel-Ameisenfresser. Er heißt Myrmecobius und hat eine lange dünne Schnauze, die er in die Ameisennester hineinstreckt, sowie eine lange klebrige Zunge, mit der er seine Beute aufnimmt. Er gehört zu den auf dem Erdboden lebenden Ameisenfressern. Es gibt dort ebenfalls einen Erdlöcher grabenden Ameisenfresser, den Ameisenigel. Das ist kein Beuteltier, sondern ein Tier aus der Gruppe eierlegender Säugetiere, der Kloakentiere, so weit von uns entfernt, daß im Vergleich damit die Beuteltiere unsere nahen Vettern sind. Der Ameisenigel hat ebenfalls eine langgezogene Schnauze, aber seine Stacheln verleihen ihm eher eine oberflächliche Ähnlichkeit mit einem Igel als mit einem typischen Ameisenfresser.
Südamerika hätte neben seinem Beutel-Säbelzahn»tiger« leicht einen Beutel-Ameisenfresser haben können, aber es ergab sich nun einmal, daß die Ameisenfresser-Nische statt dessen schon früh von plazentalen Säugetieren
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