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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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wache Sinne, denn sie sind ständig vor Räubern auf der Hut, und gewöhnlich können sie sehr schnell laufen, um ihnen zu entkommen. Dafür haben sie häufig lange, schlanke Beine, und es ist typisch für sie, daß sie auf den Zehen laufen, die während der Evolution besonders verlängert und gestärkt wurden. Die Nägel an den Enden dieser spezialisierten Zehen sind lang und hart geworden, wir nennen sie Hufe. Rinder haben zwei vergrößerte Zehen am Ende jedes Beines: sie sind, uns allen wohlbekannt, »paar«zehig. Für Pferde gilt im großen und ganzen dasselbe, außer daß sie, wohl durch einen stammesgeschichtlichen Zufall, nur auf einer Zehe laufen statt auf zweien. Sie ist aus der ursprünglich mittleren der fünf Zehen abgeleitet. Die anderen Zehen sind im Verlauf der Evolution fast völlig verschwunden, treten aber gelegentlich in schwachen »Rückschlägen« (atavistischen Formen) wieder auf.
    Nun war aber Südamerika, wie wir gesehen haben, während der Zeitspanne isoliert, in der sich Pferde und Rinder in anderen Teilen der Welt entwickelt haben. Aber Südamerika hat sein eigenes Grasland, und es entwickelte daher seine eigenen Gruppen großer Pflanzenfresser, um die Ressource auszubeuten. Es gab gewaltige rhinozerosähnliche Leviathane, die mit echten Nashörnern ganz und gar nichts zu tun hatten. Die Schädel einiger der frühen südamerikanischen Pflanzenfresser legen den Gedanken nahe, daß sie unabhängig von den Elefanten den Rüssel »erfanden«. Einige ähnelten Kamelen, andere sind mit keinem der heute auf der Erde lebenden Tiere vergleichbar, oder sie sahen wie sonderbare Schimären aus heutigen Tieren aus. Die Gruppe namens Litopterne hatte Beine, die denen der Pferde unglaublich ähnlich waren, aber sie waren überhaupt nicht mit Pferden verwandt. Die oberflächliche Ähnlichkeit täuschte einen argentinischen Fachmann des 19. Jahrhunderts, der mit verzeihlichem Nationalstolz glaubte, sie seien die Vorfahren aller Pferde auf der restlichen Welt. Leider war die Ähnlichkeit mit Pferden nur oberflächlich und konvergent. Das Leben auf Grasland ist überall auf der Welt großteils dasselbe; Pferde und Litopterne entwickelten daher unabhängig voneinander dieselben Eigenschaften, um den Problemen des Graslandlebens gewachsen zu sein. Insbesondere verloren die Litopterne, ebenso wie die Pferde, alle Zehen bis auf die mittlere an jedem Fuß. Es wurde zum unteren Beingelenk vergrößert und entwickelte einen Huf. Der Fuß eines Litopternen ist von dem eines Pferdes beinahe nicht zu unterscheiden, doch die zwei Arten sind nur sehr entfernt miteinander verwandt.
    In Australien gibt es ganz andere große gras- und blätterfressende Tiere - Känguruhs. Auch Känguruhs müssen sich rasch fortbewegen können, aber ihre Evolution ist andere Wege gegangen. Statt perfekt vierbeinig zu galoppieren wie die Pferde (und vermutlich auch die Litopterne), haben die Känguruhs eine andere Gangart vervollkommnet: zweibeiniges Hüpfen, unterstützt von einem großen, das Gleichgewicht haltenden Schwanz. Es führt zu nichts, darüber zu streiten, welche dieser beiden Gangarten »besser« ist. Alle beide sind hochgradig leistungsfähig, wenn die Evolution den Körper so formt, daß sie voll ausgenützt werden können. Pferde und Litopterne haben zufällig das vierbeinige Galoppieren ausgenutzt und kamen schließlich zu fast identischen Beinen. Känguruhs verwendeten zweibeiniges Hüpfen und landeten schließlich bei den für sie typischen und (zumindest seit den Dinosauriern) einzigartigen massiven Hinterbeinen plus Schwanz. Känguruhs und Pferde gelangten zu verschiedenen Endpunkten im »tierischen Raum«, wahrscheinlich wegen mehrerer zufälliger Unterschiede zu ihren Ausgangspunkten.
    Wenn wir uns nun den Fleischfressern, vor denen die großen Weidetiere davonliefen, zuwenden, so finden wir weitere faszinierende Konvergenzen. In der Alten Welt sind uns große Jäger wie Wölfe, Hunde, Hyänen und die Großkatzen - Löwen, Tiger, Leoparden und Geparden - wohlbekannt. Eine Großkatze, die erst vor kurzer Zeit ausstarb, ist der Säbelzahntiger, benannt nach den kolossalen Eckzähnen, die ihm vom Oberkiefer nach unten herausragten und ein Maul mit gewiß schreckenerregender Sperrweite bewehrten. Bis vor relativ kurzer Zeit gab es in Australien oder in der Neuen Welt keine echten Katzen oder Hunde (Pumas und Jaguare sind Abkömmlinge von Katzen der Alten Welt). Aber in beiden Kontinenten gab es die entsprechenden

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