Der Blinde von Sevilla
Imperium, das Ihr Mann verkaufen wollte.«
»Ja, das hat Inspector Ramírez auch immer wieder betont«, sagte sie. »Aber die Ermordung der Prostituierten und die Hinterlegung der Leiche im Mausoleum der Familie Jiménez, all das kommt mir nicht vor wie das Werk eines angeheuerten Auftragskillers.«
»Es würde mich auch überraschen, wenn eine Frau wie Sie diverse Profikiller zur Auswahl hätte. Ich würde eher vermuten, dass Sie mit jemandem vorlieb nehmen mussten, den sie … überreden konnten, die Arbeit zu erledigen.«
»Ich würde mich einem anderen Menschen nie in dem Maße ausliefern. Er hätte mich für den Rest meines Lebens in der Hand«, sagte sie und zündete sich eine Zigarette an. »Aber glauben Sie mir, Inspector Jefe, ich weiß, warum Sie immer wieder an meine Tür klopfen.«
»Jedenfalls nicht, weil wir keine anderen Türen hätten, an die wir klopfen könnten«, log er. »Sondern weil wir nie ganz zufrieden wieder gehen können. Irgendetwas bleibt jedes Mal offen. Neulich sagten Sie, es gäbe keine Akten aus der Zeit, in der Ihr Mann Vorsitzender des Bauaus-Schusses für die Expo ’92 war. Gestern haben Sie Inspector Ramírez erklärt, dass er lediglich die Kartons mit der Hobbyfilmer-Ausrüstung einsehen dürfte. Sie haben ihm gedroht …«
»Nun haben Sie mir noch etwas verraten. Die Jefatura ist ebenso anfällig für die Kultur der Unehrlichkeit wie die Welt draußen auch«, unterbrach sie ihn entzückt. »Sie können sich jeden Karton und jede Kiste ansehen, die Sie wollen. Das ist für mich Geschichte. Sie haben nichts mit meinem Leben mit Raúl zu tun. Aber dieser Inspector Ramírez ist schon ein ziemlicher Bulle.«
»Das ist also alles, was Sie tun?«, fragte Falcón. »Sie schützen nur Ihre Privatsphäre.«
»Warum sollte ich Sie in Bereiche eindringen lassen, die nichts mit Ihrer Ermittlung zu tun haben?«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil ich meinen Mann weder ermordet habe noch habe ermorden lassen.«
»Ihre Zurückhaltung zwingt uns zur Aufdringlichkeit.«
»Erzählen Sie mir, was Sie in petto haben, Inspector Jefe, ich kann die Spannung nicht länger ertragen.«
»Ich wüsste gern, was Marta Jiménez über die statische Sicherheit stark frequentierter Gebäude weiß.«
Sie blinzelte und drückte ihre Zigarette aus.
»Ich wüsste gern, welcher Art die Beziehung war, die Ihr Mann mit Eduardo Carvajal pflegte.«
Sie zündete sich eine neue Zigarette an.
»Es würde mich außerdem interessieren, welche möglichen anderen geschäftlichen Vereinbarungen Sie mit … wie hieß er noch? Einer von Raúls alten Freunden aus Tanger …«
»Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Inspector Jefe.«
»Ramón Salgado.«
Sie schluckte und zog an ihrer Zigarette. Das Geräusch knisternden Nylons drang an sein Ohr, als sie ihre Beine bewegte.
»Ich bin nicht bereit, irgendeine dieser Fragen ohne meinen Anwalt zu beantworten«, sagte sie.
»Das überrascht mich nicht.«
»Aber ich sage Ihnen eins: Diese Spur wird Ihnen nicht helfen, Ihren Mordfall zu lösen.«
»Wie können Sie sich dessen so sicher sein?«, fragte er. »Sie reden immer so, als wüssten Sie irgendetwas. Es muss Ihnen doch mittlerweile klar sein, dass es genau diese andeutungsvolle Wortkargheit ist, die in der Jefatura eine gewisse Rücksichtslosigkeit provoziert.«
»Ich schütze meine Interessen und nicht den Mörder.«
»Kannten Sie Ramón Salgado schon, bevor Sie nach Sevilla gekommen sind?«, fragte er.
Schweigen.
»Aus der Kunstszene in Madrid?«, fügte er hinzu.
Sie schwieg weiter.
»Hat Ramón Salgado Sie Raúl Jiménez vorgestellt?«
»Sie sind wie ein böswilliger Chirurg, Inspector Jefe. Sie machen die Leute auf und stochern auf der Suche nach etwas Krankem, das Sie herausschneiden können, in ihnen herum. Mir macht nur Sorgen, dass Sie womöglich etwas vollkommen Gesundes entfernen könnten, nur um zu beweisen, dass Sie Ihre Arbeit gemacht haben.«
»Kooperieren Sie mit uns, Doña Consuelo. Mehr verlange ich gar nicht.«
»Ich habe bei Ihrer Ermittlung wegen der Ermordung meines Mannes durchaus mit Ihnen kooperiert. Auf Zurückhaltung oder Widerstand stoßen Sie nur, wenn Sie in Bereiche vorstoßen, die einen Beamten des Morddezernats nicht kümmern sollten.«
»Würden Sie mit einem aus Madrid hergeschickten Beamten kooperieren? Einem Ermittler mit besonderen Vollmachten und Erfahrung in Korruptions- und Betrugsfällen großen Stils?«
»Drohungen haben die Angewohnheit, Gegenangriffe
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