Der Blinde von Sevilla
verbringen wollte; andererseits würde es bestimmt unterhaltsam sein, dessen Gesicht zu beobachten, wenn Falcón MCA Consultores ins Spiel brachte.
Falcón versuchte, sich zu erinnern, ob und wann sein Vater den Namen Raúl Jiménez je erwähnt hatte. Als seine Mutter 1961 gestorben war, hatte sein Vater ausschließlich gemalt. Falcón konnte sich jedenfalls nicht an irgendwelche Geschäfte erinnern. Und in der Zeit in Sevilla war kein Raúl Jiménez je in ihr Haus gekommen, so wie ja auch sein Vater an Jiménez’ Prominenten-Wand überraschend abwesend war. Sie mussten sich zerstritten haben.
Er kippte mit seinem Drehstuhl ein Stück nach hinten und überflog die Berichte seiner Truppe. In der Nähe des Industriegebiets auf der Rückseite des Friedhofs war ein grauer Kleinwagen mit Heckklappe beobachtet worden. Einer der Sicherheitsleute hielt es für einen Golf, der andere für einen Seat. Die Nummernschilder waren stark verschmutzt und kaum lesbar gewesen, aber einer von beiden hatte die Anfangsbuchstaben SE erkannt, was bedeutete, dass der Wagen in Sevilla gemeldet war. Serranos Bericht wies darauf hin, dass der graue Kleinwagen nur aufgefallen war, weil er langsam um die Fabriken kurvte, die an den Friedhof grenzten.
Pérez’ Bericht über Mudanzas Triana war fachkundig und umfassend. Er hatte sogar eine Skizze des Lagers mit der genauen Lage des Jiménez-Depots angefertigt. Ausführliche Befragungen des Vorarbeiters und der anderen Arbeiter hatten ergeben, dass der Mörder kaum die Zeit gehabt hätte, die Aufnahmen für das Familia-Jiménez -Video zu machen, wenn er gleichzeitig fest für die Spedition gearbeitet hätte. An dem Tag, an dem Betis 1:4 gegen Sevilla verloren hatte, waren alle regulären Mitarbeiter der Firma bei Umzügen eingesetzt gewesen. Gleiches galt für den Vormittag der Jiménez-Beerdigung. Es folgte eine Liste mit Arbeitskräften, die im vergangenen Jahr gelegentlich ausgeholfen hatten, verbunden mit dem Eingeständnis, dass einige von ihnen illegal beschäftigt gewesen waren. Nur wenige von ihnen hatten Adressen angegeben. Pérez’ Bericht über das Amateur-Video beschränkte sich auf zwei Zeilen mit den nackten Tatsachen.
Fernández hatte Eloisa Gómez’ Foto sämtlichen Trauernden gezeigt, die er auf dem Friedhof getroffen hatte. Niemand konnte sich an sie erinnern. Die Gärtner hatten an den Wochenenden frei, und der Bereich mit den Gartenabfällen war durch dichte Büsche abgetrennt. Fernández hielt es daher für durchaus möglich, dass Eloisa Gómez an einem Samstagmorgen dort getötet und versteckt worden war. Der Friedhof öffnete seine Tore um 8.30 Uhr, doch vor 10 Uhr tauchte dort kaum jemand auf.
Nach der Lektüre der Berichte grübelte Falcón über einer Reihe von Fragen, mit denen er Consuelo Jiménez’ Widerstand brechen wollte, falls sie ihn noch lange aufrechterhielt.
Dann trafen seine Mitarbeiter ein, und Falcón brachte alle auf den letzten Stand der zähen Ermittlung, bevor er noch einmal dieselben Männer losschickte, um den Friedhof und das Industriegebiet abzuklappern. Anschließend bat er Ramírez, kurz das Büro zu verlassen, und erklärte dem zurückgebliebenen Pérez, dass er nicht davon überzeugt sei, dass dieser die Ermittlung mit dem nötigen Enthusiasmus führe, weshalb er ihn einem anderen Fall zuteilen würde. Wütend verließ Pérez sein Büro.
Ramírez kam zurück, stellte sich ans Fenster und spielte wütend mit seinem Ring. Er begriff ganz genau, was gerade geschehen war. Falcón befahl ihm, sich mit einem Mitarbeiter der Spurensicherung Eloisa Gómez’ Zimmer noch einmal gründlich vorzunehmen, und Ramírez ging wortlos hinaus. Schließlich rief Falcón Consuelo Jiménez an, die wie jedes Mal sofort einwilligte, ihn zu treffen.
Sie hatten sich in dem Büro unweit der Plaza Alfalfa verabredet. Señora Jiménez spürte, dass sie es mit einem Mann zu tun hatte, der gut vorbereitet war, und versuchte es zunächst mit Verzögerungstaktik. Sie ließ ihn fünf Minuten allein, in denen sie die Zubereitung seines Kaffees überwachte.
»Nicht zufrieden mit Inspector Ramírez’ Bericht über unsere … Unterhaltung?«, fragte sie schließlich, lehnte sich mit ihrem Kaffee auf dem Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und wippte mit einem Fuß.
»Doch, so weit schon«, sagte Falcón. »Ramírez ist ein guter Polizist und ein argwöhnischer Mensch. Er spürt, wenn jemand lügt oder etwas zurückhält. Sie haben seine Neugier in zwei
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