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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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resümierte er dann, »dass Sie trotz des schrecklichen Szenarios, das der Mörder in der Wohnung hinterlassen hat, trotz aller Vernehmungen und Aussagen bisher … keine konkrete Spur haben?«
    »Wir haben nach wie vor Señora Jiménez als Hauptverdächtige. Sie ist die Einzige mit einem klaren Motiv und hatte auch die Möglichkeit, die Tat auszuführen. Und Eloisa Gómez ist die mögliche Komplizin eines Täters, der auf eigene Faust gehandelt hat.«
    »Oder auch nicht«, sagte Calderón. »Señora Jiménez könnte den Mörder so oder so bezahlt haben, denn in diesem Fall würde sie den Verdacht bestimmt nicht dadurch auf sich lenken, dass sie dem Mörder ihren eigenen Schlüssel gibt. Sie würde ihm gesagt haben, dass er selbst einen Weg finden muss, in die Wohnung zu gelangen.«
    »Und er hätte sich entweder der Nutte oder der Hebebühne bedient?«, fragte Ramírez. »Also, ich wüsste, was ich täte.«
    »Aber wenn er das Mädchen benutzt hat, warum hat er sie dann gefilmt?«, fragte Calderón. »Das ergibt keinen Sinn. Umgekehrt wäre es logischer – dass er uns zeigen will, wie brillant er ist.«
    »Beide Hypothesen haben ihr Für und Wider«, fasste Falcón es zusammen.
    »Halten Sie beide Señora Jiménez für dringend tatverdächtig, ihren Mann ermordet zu haben?«
    Ramírez bejahte die Frage, Falcón antwortete mit Nein.
    »In welche Richtung würden Sie weiterermitteln, Inspector Jefe?«
    Falcón ließ nacheinander seine Fingerknöchel knacken, was Calderón das Gesicht verziehen ließ. Falcón wollte noch nicht gleich damit herausrücken, was sein Instinkt ihm sagte. Er brauchte mehr Zeit zum Nachdenken. Es gab in diesem Fall schon genug außergewöhnliche Umstände, ohne dass er vorschlug, sich genauer mit Raúl Jiménez’ Leben Ende der 60er Jahre zu beschäftigen. Andererseits leitete er die Ermittlungen und musste demzufolge auch die Ideen haben.
    »Wir sollten mit beiden Hypothesen weiterarbeiten und uns Raúl Jiménez’ Adressenliste vornehmen«, sagte er. »Außerdem sollten wir in und um das Gebäude präsent bleiben, um einen Zeugen zu finden, der die eine oder andere Theorie, wie der Mörder ins Haus gekommen ist, bestätigen und uns vielleicht sogar eine Personenbeschreibung geben kann. Wir müssen die Mitarbeiter der Umzugsfirma befragen. Und wir sollten den Druck sowohl auf Consuelo Jiménez als auch auf Eloisa Gómez aufrechterhalten.«
    Calderón hatte keine Einwände.

    Auf der Fahrt zur Jefatura saß Ramírez am Steuer. Als sie den Fluss überquerten, spürte er beim Anblick einer Reklametafel für Cruzcampo-Bier plötzlich seine trockene Kehle und dachte, dass er gern ein Bier trinken würde, aber nicht mit Falcón, sondern in fröhlicherer Gesellschaft.
    »Was denken Sie, Inspector Jefe?«, fragte er und riss Falcón aus seinen Gedanken über die eigenartig peinliche Atmosphäre bei seiner ersten Begegnung mit dem jungen Staatsanwalt.
    »Ich denke mehr oder weniger das, was ich zu Juez Calderón gesagt habe.«
    »Nein, nein, das glaube ich nicht«, sagte Ramírez und tippte auf das Lenkrad. »Ich kenne Sie, Inspector.«
    Das ließ Falcón auf seinem Sitz herumfahren. Die Vorstellung, dass Ramírez auch nur die leiseste Ahnung hatte, wie sein Verstand funktionierte, fand er geradezu lachhaft.
    »Sagen Sie’s mir, Inspector.«
    »Sie wissen doch genau, dass die Überprüfung dieser Adressenliste eine ebenso große Zeitverschwendung ist wie etwa die Befragung der Leute, die Señora Jiménez gefeuert hat.«
    »Das weiß ich nicht«, gab Falcón zurück. »Und Sie wissen, dass man die elementaren Aufgaben erledigen muss. Jeder soll sehen, wie sorgfältig wir vorgehen.«
    »Aber Sie glauben nicht, dass es einen Zusammenhang gibt, oder?«
    »Ich bin offen für alles.«
    »Dies ist das Werk eines Psychopathen, und das wissen auch Sie, Inspector Jefe.«
    »Wenn ich ein Psychopath wäre, der Spaß daran hätte, Menschen umzubringen, würde ich mir bei all den damit verbundenen Komplikationen keine Wohnung im sechsten Stock des Edificio Presidente aussuchen.«
    »Er gibt halt gern an.«
    »Er hat diese Menschen studiert. Er hat sein Opfer kennen gelernt. Er ist dabei sehr sorgfältig vorgegangen«, sagte Falcón. »Er wird beobachtet haben, wie sie das neue Haus besichtigt haben. Er wird gesehen haben, wie die Umzugsleute in die Wohnung gekommen sind …«
    »Mit denen müssen wir morgen als Erstes reden«, sagte Ramírez. »Von wegen fehlende Overalls und so.«
    »Morgen ist Viernes Santo

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