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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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gar nicht. Ich bezweifle sogar, dass es eine Verbindung gibt. Aber Sie werden in einer Jauchegrube herumrühren, Inspector Jefe. Unangenehme Dinge werden an die Oberfläche kommen.«
    »Und Comisario León?«
    »Er mag keine unangenehmen Dinge. Wenn Sie auf ›sensible‹ Informationen stoßen, müssen Sie sie mir berichten … und keine Lecks, sonst werden wir alle aufs Rad geflochten.«
    Ein weiterer Grund für Lobos Beliebtheit bei seinen Männern war seine einzigartige Fähigkeit, ihnen den Ernst einer Lage begreiflich zu machen. Falcón stand auf und ging zur Tür, obwohl er wusste, dass noch etwas kommen würde, weil Lobo einem immer noch gerne im Gehen etwas mitgab, damit es einen bleibenderen Eindruck hinterließ.
    »Sie haben wahrscheinlich gedacht, dass ein Bewerber mit Ihren Erfahrungen aus Barcelona, Saragossa und Madrid in einer, was Gewaltverbrechen angeht, zweitklassigen Stadt wie Sevilla mit Kusshand genommen würde?«
    »Ich halte nichts für selbstverständlich, Comisario. Bei jeder Bewerbung spielen auch politische Gründe eine Rolle.«
    »Ich musste mich sehr nachdrücklich für Sie einsetzen.«
    »Warum haben Sie das getan?«, fragte er, da er Lobo vorher nicht persönlich gekannt hatte.
    »Aus dem unmodischen Grund, dass Sie der beste Mann für den Job waren.«
    »Dann sage ich vielen Dank.«
    »Comisario León war ein großer Bewunderer der besonderen Talente von Inspector Ramírez.«
    »Genau wie ich, Comisario.«
    »Sie halten Kontakt, Inspector Jefe … informell.«
    »Verstehe.«
    »Das ist gut«, sagte Lobo unvermittelt heiter. »Ich wusste, dass Sie es verstehen würden.«

7
    Donnerstag, 12. April 2001,
    Edificio de los Juzgados, Sevilla

    »Ich glaube, Eloisa Gómez hat ihn reingelassen«, sagte Ramírez, als sie über den Fluss fuhren.
    »Baena und Serrano haben bisher niemanden außerhalb des Edificio Presidente aufgetrieben«, sagte Falcón. »Mir gefällt die Version besser, in der der Mörder an der Hebebühne nach oben klettert und sich einen halben Tag lang in der Wohnung versteckt, obwohl die bis auf den kurzen Besuch von Señora Jiménez am Nachmittag leer war. Hatte das Mädchen Angst?«
    »Sie hat nach Beendigung der Vernehmung kein Wort mehr zu mir gesagt.«
    »Glaubt sie uns?«
    »Wer weiß?«
    Das Edificio de los Juzgados befand sich direkt neben dem Palacio de Justicia gegenüber den Jardines de Murillo. Es war schon deutlich nach fünf, als Falcón und Ramírez auf der Rückseite des Gerichtsgebäudes parkten. Falcón, der es hasste, zu spät zu kommen, hätte den Kamm, mit dem Ramírez sich sorgfältig sein pomadisiertes Haar kämmte, am liebsten in lauter kleine Teile zerbrochen, doch sein mörderischer Blick beeindruckte den Inspector kein bisschen. Zumal dieser der Ansicht war, dass sie früh genug dran waren und seine Frisur absolute Priorität hatte – es könnten schließlich Sekretärinnen in der Gegend sein.
    Die beiden Männer mit ihren dunklen Anzügen, weißen Hemden und Sonnenbrillen gingen zum Haupteingang des trostlosen grauen Gebäudes – die Eintönigkeit der Justiz inmitten der Gartenstadt. Sie zeigten ihre Ausweise und ließen ihre Koffer durchleuchten. Das Gebäude war ruhig; alles Wichtige spielte sich hier am Vormittag ab. Durch das dunkle, beinahe finstere Gebäude gingen sie die Treppe hinauf zu Juez Calderóns Büro im ersten Stock. Gerechtigkeit hatte nichts Dekoratives, auch wenn sie gut und redlich war.
    Ramírez fragte nach Lobo. Falcón berichtete, dass Comisario León bereits Druck machen würde, und erwähnte auch den Korruptionsaspekt. Ramírez wirkte gelangweilt.
    Calderón war nicht in seinem Büro. Ramírez ließ sich auf einen Stuhl fallen und spielte mit dem mit drei Diamanten besetzten Goldring an seinem Mittelfinger. Der Ring hatte Falcón immer schon irritiert, er wirkte viel zu feminin für einen dunklen, muskulösen Typ wie Ramírez.
    »Wir müssen etwas aus diesem nichtsnutzen maricón Lucena machen«, sagte Ramírez grob, »sonst wirken wir bei unserem ersten Treffen mit dem neuen jungen Staatsanwalt wie zwei Anfänger.«
    Falcóns Blick schweifte über die Bücherregale an den Wänden. Ramírez streckte sich.
    »Ich glaube, wenn man sowohl Männer als auch Frauen bumst, ist man tief drinnen ein maricón «, sagte er.
    »Selbst wenn es eine einmalige Geschichte wäre?«, fragte Falcón.
    »Mit so etwas kann man nicht herumexperimentieren, Inspector Jefe. So was hat man in den Genen. Wenn man es sich auch nur vorstellen kann

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