Der Blinde von Sevilla
entführt worden ist?«, fragte Ramírez. » Joder. «
»Davon wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Ich habe es ihr erst erzählt, nachdem ich mit Manuel Jiménez gesprochen habe.«
»Was hatte sie sonst gegen ihn in der Hand?«
»Irgendwas im Zusammenhang mit der Expo ’92«, sagte Falcón. »Ich denke, sie hat irgendwelche Unterlagen gefunden und ist auf ein in der spanischen Wirtschaftsgeschichte beispielloses Maß an Korruption gestoßen.«
»Aber warum versteckt sie sie dann jetzt?«
»Weil sie bekommen hat, was sie wollte – die Restaurants«, sagte Falcón. »Jetzt könnten die Unterlagen ihres Mannes nur noch ihre Position gefährden. Wenn man ihm Korruption nachweisen könnte, würde das möglicherweise Auswirkungen auf das Geschäft haben. Sie könnte alles verlieren.«
»Dann kam sein Tod doch sehr gelegen«, sagte Ramírez.
»Wäre es nicht logischer gewesen, wenn Señor Jiménez seine Frau umgebracht hätte?«, fragte Pérez. »Dann hätte er die Restaurants verkaufen und jeden Skandal vermeiden können.«
»Morde geschehen, wenn die Logik zusammenbricht«, sagte Ramírez und sah Pérez an wie einen Verräter.
»Wir sollten Consuelo Jiménez gründlich durchleuchten … offiziell und inoffiziell«, sagte Falcón. »Sie hat eine Kunstgalerie in Madrid erwähnt, in der sie gearbeitet hat. Außerdem eine Affäre mit einem Herzog, die 1984 mit einer Abtreibung endete.«
»Laut Polizeicomputer ist sie sauber«, informierte ihn Ramírez. »Ich habe ein paar Kontakte in Madrid, die den Namen für mich noch mal auf anderen Kanälen überprüfen, um zu sehen, ob es irgendwelche Kontakte mit Drogen oder der Sitte gab.«
»Was ist mit dem Bauausschuss?«, fragte Falcón, und Pérez hievte einen Karton auf den Schreibtisch, dem er bündelweise Papiere entnahm.
»Dies sind die Namen und Adressen sämtlicher Firmen, die an irgendeinem Bauprojekt im Zusammenhang mit der Expo ’92 zu tun hatten. Dies ist eine Liste sämtlicher Firmen, die mit Bauprojekten außerhalb des eigentlichen Expo-Geländes zu tun hatten, die entweder ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden. Bei Letzteren geht es vor allem um Wohnsiedlungen in Gegenden wie Santiponce und Camas. Dies ist eine Liste sämtlicher Firmen, die Projekte innerhalb der einzelnen Pavillons übernommen haben: Designer, Sound- und Lichttechniker, Belüftungsingenieure, Bodenverleger …«
»Was wollen Sie mir damit sagen, Inspector?«, fragte Falcón.
»Dieses kleine Buch ist ein Verzeichnis sämtlicher Personen, die die Pavillons, Restaurants, Bars und Läden beliefert oder in ihnen gearbeitet haben …«
Ramírez packte die Tischkante und beugte sich über die Platte.
»Hören Sie, Inspector Jefe. Wir wissen, was los war. Jeder hat daran mitverdient. Aber das war vor zehn Jahren, und wir wissen auch, wie sich Tatsachen bereits binnen Tagen oder sogar Stunden verwischen. Und wonach suchen wir überhaupt? Nach dem Typ, der kein Vermögen gemacht hat? Wo soll der stecken? Oder nach dem Typ, der abgezockt wurde? Wo sollen wir nach ihm suchen? Steht er überhaupt auf diesen Listen mit Firmen und Mitarbeitern? Und wenn ja, wo fangen wir an? Bei den Glasern, den Marmorsteinbrüchen, den Fliesenfabriken? Das wäre selbst für eine speziell eingesetzte Anti-Korruptions-Einheit eine gewaltige Aufgabe, von uns sechs Mann in der Grupo de Homicidios ganz zu schweigen. Es muss eine heiße Spur geben, bevor wir uns diesen Arbeitsaufwand aufhalsen.«
Falcón ließ nacheinander seine Fingerknöchel knacken. Es war eine gute Rede, aber sie klang nicht nach Ramírez. Sie war knapp und bündig, und über einen derart objektiven Verstand verfügte Ramírez nicht. Er war der subjektive, reaktive Typ. Consuelo Jiménez abzuholen und unter Druck zu setzen entsprach eher seiner Art.
»Sie meinen also beide, dass wir diese Ermittlung mit dem Ziel weiterführen sollen, eine Anklage gegen Consuelo Jiménez zu konstruieren?«
Ramírez nickte, Pérez zuckte die Achseln.
»Sie ist knallhart«, sagte Falcón, »und ich glaube, wir haben nicht genug gegen sie in der Hand, um ihr auch nur leises Unbehagen zu bereiten. Wir müssen weitergraben.«
»Was ist mit beschatten?«, fragte Ramírez.
»Derartige Kosten lassen sich im Moment nicht rechtfertigen«, sagte Falcón. »Dafür bräuchten wir mehr gegen sie. Das Motiv mit dem Liebhaber ist tot, und das Joaquin-López-Motiv ist nicht stark genug, auch wenn es sich durchaus lohnt, es Juez Calderón
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