Der Blumenkrieg
sicher.«
»Wenn ihr in die Stadt kommt, müßt ihr unverzüglich die Stockrosen-Residenz aufsuchen. Nein, warte. Den jungen Stockrose, der hierhergeschickt wurde, hat ebenfalls jemand umgebracht. Das könnte vieles bedeuten, nicht zuletzt, daß es in ihrem Haus Spione gibt – oder in meinem. Ja, das ist sogar noch wahrscheinlicher in Anbetracht der Tatsache, daß man auch euch und dem armen Rufinus aufgelauert hat.« Rainfarn schwieg eine Weile; als er weiterredete, klang er ungewohnt unsicher. »Der vertrauenswürdigste und vernünftigste Koextensive außerhalb unserer Chrysanthemensippe ist Fürst Fingerhut. Er ist ein kluger Mann und kennt sich mit den Strudeln und Unterströmungen der Stadt so gut aus wie eine Nymphe mit ihrem Fluß.«
Das erinnerte Theo an den Flußgrashalm um sein Handgelenk. Was zum Teufel war eigentlich ein Nymphenband? Er nahm sich vor, von Apfelgriebs eine ordentliche Erklärung zu verlangen.
»Fürst Fingerhut ist sicherlich klug, Herr, zu klug, sagen manche«, bemerkte die Fee zu Rainfarn.
»Wie? Was meinst du damit?«
»Nun ja, manche Leute behaupten, daß er mit Fürst Stechapfel befreundet ist.«
»Wie viele andere auch, Angehörige der verschiedensten Adelshäuser.«
»Du wirst es besser wissen als ich, Herr. Es ist nur so, daß Stechapfel ein … er ist ein …«
»Ein Exzisor – ein Würger, wie du es auszudrücken pflegst, nicht wahr? Ja, Stechapfel gehört dieser Partei an, er ist allerdings einer von der intelligenteren und flexibleren Sorte. Letztlich unterscheidet er sich in den meisten seiner Positionen nicht sehr von uns Chrysanthemen – mit Ausnahme seines Widerwillens gegen Menschen natürlich, der maßlos ist. Doch Stechapfel mag sein, was er will, Fürst Viorel Fingerhut ist jedenfalls kein Würger, sondern einer der besonneneren Gemäßigten, ein Mitglied meiner eigenen Fraktion im Parlament. Und daran, daß man Freunde hat, die unterschiedlicher politischer Meinung sind, ist nichts auszusetzen – wir sind schließlich nicht im Krieg, Apfelgriebs.«
Sie blickte skeptisch. »Bitte um Verzeihung, Herr, aber was deinem Verwandten passiert ist, das sieht mir ganz nach Krieg aus. Und wegen der Sache mit dem jungen Kollegen, dessen Herz in einem Kästchen überbracht wurde, könnten auch die Stockrosen anderer Meinung sein als du.«
Theo hörte förmlich, wie Rainfarn mißbilligend den Mund verzog. »Die Bande zwischen den großen Geschlechtern, vor allem zwischen den Herren dieser Geschlechter, sind alt und tief, Apfelgriebs. Sie zerreißen nicht einfach wegen irgendwelcher politischer Reibereien. Und Fingerhut und Stechapfel sind seit ihrer gemeinsamen Zeit in Wünschelrute miteinander befreundet.«
Theo sah, wie Apfelgriebs unwillig am Beckenrand hin und her rutschte, doch sie sagte nichts mehr.
»Also«, fuhr Rainfarn fort, »wenn ihr beide in die Stadt kommt, müßt ihr sofort die Fingerhut-Residenz aufsuchen. Apfelgriebs weiß, wo sie ist, aber falls ihr aus irgendeinem Grund …«, in sein Zögern mischte sich diesmal ein düsterer Ton, den selbst Rainfarn nicht verhehlen konnte, »… nun, falls ihr beide durch irgendwelche Umstände getrennt werden solltet, dann mußt du, Junker Vilmos, dich allein zum Quellwasserplatz begeben. Du kannst die Fingerhut-Residenz gar nicht verfehlen – es ist der höchste Turm am Platz. Sage den Wachen einfach, daß du eine Botschaft von mir an Fürst Fingerhut hast. Zeige ihnen das Gerät, durch das wir gerade miteinander sprechen. Das allein müßte ausreichen, daß die Wachen dich ernst nehmen. Wenn nicht, sollen sie ihrem Herrn eine Nachricht schicken, die besagt: ›Rainfarn möchte, daß du dich an Wassers Kante erinnerst.‹«
»Wassers Kante?« fragte Apfelgriebs. »Hast du ihn vor dem Ertrinken gerettet?«
»Was? Nein, Auf Wassers Kante heißt eine Taverne. Eine der niederen Sorte, wie ich zu meiner Schande zugeben muß. Doch als wir beide Schüler im Internat Wünschelrute waren, half ich Vivi Fingerhut – so nannten wir ihn damals – in dem Lokal aus einer Klemme. Er wird sich daran erinnern.«
Theo hatte Mühe, mit der Situation fertigzuwerden. Da machten sie gerade einen heimlichen Telefonanruf aus einer Zugtoilette, nachdem sie mit angesehen hatten, wie ihr Reisebegleiter erstochen wurde, und Rainfarn benahm sich, als wäre das Ganze nichts weiter als eine Butler-Jeeves-Geschichte. »Du steckst den Vorfall mit deinem Verwandten ziemlich gut weg.«
»Soll das heißen, daß ich für deinen Geschmack
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