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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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den roten, glitschigen Schlauchwust sah, der neben der Bank lag, und die Teile, die noch aus dem zerfetzten Hemd des jungen Mannes hingen, da hätte Cornelia Schafgarbe beinahe geschrien. Statt dessen fiel sie auf der Bank in Ohnmacht.
    Zufrieden mit Rufinus Kegel-Chrysanthemes Körper, der zwar eindeutig tot, aber trotzdem noch flexibel und nicht allzu schlimm beschädigt war, kehrte der Irrha sich von der Bank ab, machte sich langsam auf den Weg durch den Schattenhofer Bahnhof und stopfte sich dabei seine schlenkernden Eingeweide ins Hemd zurück.

 
15
Die Ebenen von Groß-Eberesche
     
     
    Elfiens Gestalt im ganzen ist noch merkwürdiger als der schneckenhausartige Grundriß der Stadt, die ich Neu-Erewhon nenne – denn von einer festen Gestalt kann keine Rede sein. Um die Erfahrung der Fortbewegung dort treffend wiederzugeben, müßte eine Karte des Landes rotieren wie ein Kreisel oder eine andere mir nicht recht vorstellbare Metamorphose erfahren, denn Elfien liegt nicht einfach still und brav an Ort und Stelle …
     
    L iest du was?«
    Deprimiert von der tristen Szenerie, die draußen vor den verregneten Fenstern vorbeiwischte, größtenteils baumlose hügelige Wiesen, und von dem Gedränge absonderlicher Erscheinungen und ihren fremdartigen Gerüchen im Dritte-Klasse-Wagen hatte Theo sich noch einmal das Buch seines Großonkels vorgenommen. Er hob den Kopf und sah, daß der Sprecher, ein mehr oder weniger ziegenbockartiges Wesen, sich vom Sitz neben ihm herüberbeugte und ihn mit roten Äuglein unter zwei kräftigen Hörnern streitlustig anstierte.
    »Äh … ja. Ich lese was.«
    »Kann ich nicht, lesen. Hab’s nie gelernt.« Lange gelbe Zähne bleckend zog das Ziegengesicht eine Grimasse, die lächelnd, aber genausogut auch drohend gemeint sein konnte.
    »Schade. Sehr bedauerlich.«
    »Ach ja, ich bewundere euch Schlaue, daß ihr so was könnt.« Es klang nicht sehr bewundernd. Der Sitznachbar beugte sich ein wenig vor, und der Atem, den er Theo dabei ins Gesicht blies, roch nach saurer Milch. »Du mußt Leute wie mich für dumm halten.«
    »Nein, keineswegs, ich …«
    »Bloß ein dummer Kornbock, wirst du dir sagen. Und wer wollte es dir verdenken? Du mit deiner Bildung und deinen Aufstiegsmöglichkeiten und überhaupt.«
    Theo wünschte sich langsam inständig, Apfelgriebs würde von ihrer Inspektion des übrigen Zuges zurückkommen. Er hatte gehofft, wenn er einfach den Mund hielt und jeden Blickkontakt vermied, würde er nicht in Schwierigkeiten geraten.
    »He, du Hornvieh!« sagte ein eher menschenähnlicher Elf, der zudem aussah, als wäre er schon im reiferen Alter, und damit eine bemerkenswerte Ausnahme darstellte. Der Mann hatte abgetragene, aber saubere Sachen an, ein paar Fältchen im Gesicht und von allen Leuten, die Theo bis jetzt gesehen hatte, am ehesten so etwas wie eine Sonnenbräune. Doch er war überdies drahtig und kräftig, und er blickte den Kornbock nicht eben freundlich an. »Wieso belästigst du den jungen Mann?«
    »Was geht dich das an, Alter?« fragte der Angesprochene zurück. »Du meinst wohl, wenn einer wie ein Mensch aussieht, ist er immer im Recht, was?«
    »Menschliches Aussehen hat damit gar nichts zu tun«, versetzte ein anderer, der sicherlich nicht in diese Kategorie fiel, denn er hatte eine gürteltierartige Haut und einen winzigen, mit Hornplatten geschützten Kopf, der kaum oben aus dem Knochenpanzer herausschaute. »Du suchst doch bloß Streit. Schon vor der Ankunft in Schattenhof hast du einen armen Wichtel angebufft und beschimpft, weil er angeblich dein Essen umgestoßen hatte.«
    »Stimmt ja auch! Die tolpatschige kleine Spitznase hatte mir einen ganzen Behälter Heusalat auf den Boden gekippt.«
    Während die Auseinandersetzung weiterging, drückte Theo sich in die Ecke zurück. Er hielt sich sein Buch vor die Nase, um sich gegen diese aberwitzigen Mitreisenden abzukapseln, und versuchte angestrengt, sich auf die Handschrift seines Großonkels zu konzentrieren.
     
    Elfien ist in Gebiete aufgeteilt, die »Felder« genannt werden, und diese Gebiete sind nicht immer gleich. Das heißt, in sich bleiben sie unverändert, aber sie stehen nicht immer in der gleichen Beziehung zueinander – deutlicher kann ich es leider nicht erklären, und selbst verstehe ich es auch nicht besser. Manchmal hat man den Eindruck, die einzelnen Provinzen Elfiens seien in Ringen angeordnet, die ihre Positionen wechseln, so daß in der einen Woche zwei Provinzen nebeneinanderliegen,

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