Der Blumenkrieg
bringen!
Rainfarn warf sich auf ihn und packte ihn mit schlanken, aber erstaunlich kräftigen Armen. Als wären sie mit seinem Angreifer im Bunde, wurden die Stimmen aus dem Konferenzsaal in Theos Kopf lauter, während er sich zur Wehr setzte, um Rainfarns Tuch von seinem Gesicht fernzuhalten.
»Das ist eine empörende Behandlung. Ihr wißt, daß ich meinen Berg sonst nur für die allerdringlichsten Angelegenheiten verlasse, zumal an einem heiligen Feiertag, den man im Kreise der Angehörigen verbringen sollte …«
»Bitte, gedulde dich, Garvan.«
»Ich habe mich geduldet, Ämilia. Erst wurden meine Meditationen unterbrochen, dann mußte ich auf der Suche nach einem Bahnhof zur Unzeit durch ganz Stechpalmenkranz fahren, und jetzt das!«
»Du bist natürlich zu Recht aufgebracht, mein guter Lilie …«
»Verschone mich mit weiterem Gerede, Stockrose. Du bist nur ein junger Hüpfer, und wenn du glaubst, ich werde hierbleiben und mich von diesem Nieswurz und seiner Horde von Emporkömmlingen beleidigen lassen, nur damit du weiter deine politischen Ambitionen verfolgen kannst …«
»Wartet! Ich erhalte gerade eine Mitteilung …«
»Wie lautet sie, Bruder?«
»Einen Moment, Ämilia, der Heinzel sagt … das gibt keinen Sinn …«
In krassem Gegensatz zu diesem Tumult ging Theos Kampf fast völlig lautlos vonstatten. Er rollte auf den Tisch zu, um den breitbeinig auf ihm hockenden Gegner mit dem Kopf dagegenzustoßen und von sich abzuschütteln, doch der Elf durchschaute die Absicht, stemmte den Fuß gegen ein Tischbein und drückte Theo abermals das Tuch ins Gesicht. Theo hielt den Atem an, doch er war bereits erschöpft und brauchte Luft; er wußte, daß er nicht viel länger durchhalten konnte. Er versuchte sich an frühere Kampfsituationen zu erinnern, doch ihm fielen nur Fälle ein, in denen er entweder Prügel bezogen oder bei der ersten Gelegenheit das Weite gesucht hatte.
Die schlanke, bleiche Hand hielt ihm trotz seiner heftigsten Abwehrbemühungen das Tuch wieder vor. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er keine Luft mehr bekam und der Kampf vorbei war. Theo zögerte, denn er wußte, daß es keine zweite Chance geben würde, dann zwang er sich, den Widerstand aufzugeben und zu erschlaffen. Er hatte vor seinem Aufgeben nur noch einmal kurz Atem schöpfen können und betete, daß das Tuch nicht irgendwie magisch war, daß es nur dann wirkte, wenn man die Dämpfe wirklich einatmete. Er blieb still liegen und hielt das kleine bißchen Luft in den Lungen, obwohl alles in ihm rebellierte, als sich ihm der beißend riechende Lappen über Mund und Nase legte.
»Ich habe ihn«, teilte Rainfarn einem unsichtbaren Zuhörer mit. »Ich werde in Kürze weg sein. Es kann weitergehen.«
Unter dem Tuch brannten Theos Augen dermaßen, daß er sich fragte, ob er erblindet war, doch das war seine geringste Sorge. Obwohl er mit sämtlichen Fasern danach lechzte, Atem zu holen, koste es, was es wolle, mußte er mit sengenden Lungen warten, bis der Druck von Rainfarns Hand sich lockerte und sein Gewicht auf Theos Brustkasten sich ein wenig verlagerte. Kaum war der Lappen herunter, drehte Theo blitzschnell den Kopf herum, schlug die Zähne in Rainfarns Handkante und biß mit aller Kraft zu. Der Elf schrie vor Schmerz und Schreck auf, und das Tuch entfiel seinen Fingern. Theo riß den Kopf zurück, schnappte nach Luft, stemmte sich mit allerletzter Kraft vom Boden hoch, so daß Rainfarn mit in die Höhe kam, und warf sich dann ruckartig nach hinten. Explosionsartig wurde ihm schwarz vor den Augen.
Die Schwärze wollte sich nicht verziehen. Minutenlang konnte Theo nur hilflos am Boden des Büros liegen und wußte nicht, ob er sich bei seinem Versuch, Rainfarn gegen den Tisch zu schmettern, selbst den Kopf gestoßen oder ob das Gift im Tuch ihn wirklich blind gemacht hatte. Wenigstens hörte er auch sonst keine Bewegung im Raum: Rainfarn hatte sich nicht aufgerappelt, um ihn endgültig zu erledigen, obwohl Theo das Gewicht seines Arms über der Brust fühlte. Als Sehvermögen und Körperbeherrschung langsam wiederkehrten, machte Theo sich von dem Elf frei, wälzte sich herum und stierte benommen seinen Gegner an.
Rainfarn war nicht tot, hatte jedoch einen sehr heftigen Schlag auf den Kopf bekommen, und die Pupillen waren ihm unter die Lider gerutscht. Er zitterte wie das Kaninchen, das ein Freund von Theo einmal mit der Schrotflinte geschossen hatte. Theo kroch zu dem am Boden liegenden Tuch hin, nahm es und preßte es
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