Der Blumenkrieg
haben.«
»So viel gemeinsam! Machst du Witze? Du … du bist eine Bestie! Ein Mörder, ein gekaufter Kidnapper! Du verrätst selbst die Schweine, die dich bezahlen!«
»Das alles stimmt wahrscheinlich, Theo. Aber es stimmt auch, daß man unser Verhältnis beinahe als verwandtschaftlich bezeichnen könnte, und darum hatte ich gehofft, wir könnten uns zivil unterhalten.«
»Wie bitte? Was soll das heißen?«
Der Beseitiger räusperte sich mit einem Geräusch, als wehte Zeitungspapier durch eine stille Gasse. »Ich bin … ich war einst … Eamonn Dowd.«
36
Wechselbälge
D as ist eine Lüge! Du bist tot!« Theo merkte, was er da gesagt hatte. »Ich meine, Eamonn Dowd ist tot.«
»Einerseits ja. Andererseits nein.« Die Gestalt im Schatten verlagerte ihr Gewicht mit einem knisternden und zugleich quatschenden Geräusch. »Glaube mir, Theo, ich hatte mir das anders vorgestellt. Ich hatte gehofft, unser erstes Gespräch könnte ein wenig … familiärer sein. Paß auf, wenn ich dem Alraun sage, daß er dich loslassen soll, versprichst du mir dann, keinen Fluchtversuch zu unternehmen, bis du dir angehört hast, was ich zu sagen habe? Wobei du ohnehin nicht entkommen könntest – du hast ja gesehen, wie schnell und stark sie sind.«
Theo verstand nicht, warum sein Gegenüber eine solche absurde Behauptung aufstellte. Es war unmöglich. Nicht einmal das Leben im Elfenland konnte derart verrückt sein, doch es konnte nichts schaden, auf Zeit zu spielen. »Na schön. Sag ihm, er soll aufhören, mir die Rippen zu brechen. Ich werde bleiben, wo ich bin.« Auf einen unausgesprochenen Befehl hin setzte der Wurzelsklave ihn ab und stellte sich dann lautlos zurück an die Wand neben seinen Zwilling. »Okay, also, wer du auch sein magst, du kannst nicht Eamonn Dowd sein. Schon allein deshalb nicht, weil alle hier sagen, daß der Beseitiger sehr alt ist, uralt. Daß er schon länger lebt, als irgend jemand zurückdenken kann.«
»Er war auch uralt, als ich seinerzeit seinen Platz einnahm. Wobei ich mich oft gefragt habe, ob der von mir verdrängte Beseitiger seinerseits einst einen älteren Vorläufer gestürzt hatte. Vielleicht ist ›Beseitiger‹ mehr ein Titel als ein Name, und jeder, der diesen Titel führt, bekommt ihn irgendwann von einem jüngeren Rivalen abgenommen … sozusagen.« Das traurige, dürre Glucksen kam von überall und nirgends. »Wenn ja, ist es eine sehr fragwürdige Errungenschaft, das kannst du mir glauben.«
»Sprich weiter, sag, was du zu sagen hast. Aber ich höre nur zu, wenn du versprichst, meinen Freund gehenzulassen.«
»Den Querz? Ich habe kein Interesse an ihm, und ich will ihm gewiß nichts tun. Aber mir ist daran gelegen, daß du dich ruhig hältst und hier bleibst, deshalb wird er bis auf weiteres hier am Boden liegenbleiben und friedlich schlafen.«
»Warum zeigst du dich nicht? Ich spreche nicht gern ins Leere.«
»Nimm dir nicht zuviel heraus, Theo. Du bist nicht in einer Position, wo du mir Vorschriften machen könntest, selbst wenn ich gewisse verwandtschaftliche Gefühle für dich hege. Wie gesagt, ich schäme mich für mein Aussehen, also wahre Abstand. Ich kann eine etwas weniger widerwärtige Form annehmen, wenn ich mich hinaus in die Stadt begebe – auch kein schöner Anblick, aber mit einem langen Mantel und einem Hut errege ich nicht allzuviel Aufmerksamkeit, wenn ich mich an die düsteren Winkel und Hintereingänge halte. Doch mich so zu tarnen, fordert mir viel Energie ab, sehr viel, und ich bin heute sehr müde. Ich habe eine arbeitsreiche Woche hinter mir.« Wieder ein Rascheln und Knistern. »Ich kann es dir nicht verübeln, daß du an meinen Worten zweifelst.«
»Wenn du willst, daß ich dir glaube, dann beweise es. Erzähl mir etwas, das nur Eamonn Dowd wissen kann.«
»Ein wunderbares Klischee, könnte direkt aus einem alten Hörspiel sein. Was für ein intimes Etwas sollte das denn sein, Theo? Ich habe von deiner Kindheit nichts mitgekriegt, bin dich nicht besuchen gekommen wie ein normaler Großonkel, habe dir keine Süßigkeiten und Comic-Hefte mitgebracht und kleine Geheimnisse mit dir ausgetauscht, an die wir uns jetzt gemeinsam erinnern könnten. Soll ich dir etwas erzählen, das in dem Notizbuch steht? Das würde sehr wenig beweisen, denn ich weiß, daß außer dir auch andere darin gelesen haben, unter anderem dein querzischer Freund hier.« Der Beseitiger schien nachzudenken. »Womit könnte ich es dir sonst beweisen? Soll ich die
Weitere Kostenlose Bücher