Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
amerikanischen Präsidenten von Washington bis Nixon aufsagen? Die späteren kenne ich nicht, weil die amerikanische Geschichte nach den frühen siebziger Jahren zu meinen Wissenslücken gehört – vielleicht verständlich, wenn du dich erinnerst, wo ich in der Zeit gewesen bin. Oder sollten wir beim Persönlichen bleiben? Soll ich dir referieren, was in dem Brief stand, den ich deiner Mutter schrieb oder wenigstens der Frau, die du für deine Mutter hieltest? Du wirst ohnehin erfahren müssen, warum ich sie um Verzeihung bat, ob du willst oder nicht …«
    Er wollte es nicht wahrhaben. »Aber du … aber Eamonn Dowd ist gestorben! Ich habe seinen Nachruf gelesen!«
    »Du hast einen Nachruf gelesen, der nach der Auffindung von Eamonn Dowds Leiche geschrieben wurde. Ja, diese leibliche Hülle ist definitiv tot und inzwischen zu Staub zerfallen, oder fast. Meinst du, wenn ich sie noch zur Verfügung hätte, und wäre sie noch so alt und gebrechlich, dann würde ich auf diese Weise leben? Mich im Dunkeln verstecken, einsam wie eine Spinne und so furchterregend häßlich, daß selbst die Kinder der Trolle und Goblins kreischend vor mir davonrennen?« Zum erstenmal hörte Theo echte, tiefe Qual in der Stimme.
    Aber vielleicht ist er nur ein guter Schauspieler. Sie sind verschlagen, diese Elfen. Wer weiß, was einer von ihnen tun würde, um mir Informationen zu entlocken, wenn das, was ich weiß, wirklich so verdammt wichtig ist. »Sprich weiter.«
    »Ich setze voraus, daß du das Notizbuch gelesen hast, und werde dich deshalb mit diesem Teil meiner Geschichte nicht langweilen. Ich kam nach Neu-Erewhon und wurde hier heimisch. Ich baute mir eine Existenz auf. Alles gut und schön und nicht verschieden von der Geschichte vieler anderer Menschen, die auf verborgenen Wegen nach Elfien gelangten und dann nie wieder weggehen wollten. Ich verliebte mich sogar.
    Aha, ich sehe, daß du darüber etwas weißt. Hast du vielleicht die Gerüchte gehört? Oder die Propaganda ihrer Familie, die Lügen der Primelsippe? Denn sie war es, in die ich mich verliebte, Erephine Primel, die jüngste Tochter dieses großen Adelsgeschlechtes.«
    »Sie … sie sagen, du hättest sie entführt.« Ob die Geschichte stimmte oder nicht, machte im Moment wenig Unterschied: Theo mußte dafür sorgen, daß sein unsichtbarer Bezwinger weiterredete, bis sich eine Möglichkeit zur Flucht ergab. Selbst wenn in dieser Erscheinung wirklich das fortlebte, was von seinem Großonkel übriggeblieben war, hatte er praktisch zugegeben, daß er für Nieswurz arbeitete. Immerhin jedoch wurde Theos vorherige Gewißheit, daß der Beseitiger ihn über seine wahre Identität belog, eindeutig schwächer.
    »So, so, sie sagen also, ich hätte sie entführt. Nun, das ist richtig – halbwegs. Aber den Teil der Geschichte will ich fürs erste noch nicht erzählen. Glaube mir, Theo, wenn du Geduld hast, wirst du die ganzen schmutzigen, elenden Hintergründe erfahren.«
    »Nur zu.« Er warf einen verstohlenen Blick auf Wuschel. Der Film über seinem Gesicht machte seine Züge unkenntlich, aber seine Brust bewegte sich regelmäßig. Wachte er so lange nicht auf, wie er diese Hülle über dem Kopf hatte? Und wenn es nun irgendwelcher Elfenmagie bedurfte, um sie herunterzubekommen? Es war bestimmt schwer genug, den beiden flinken und starken Wurzelsklaven allein zu entfliehen, aber mit dem leblosen Gewicht von Wuschel Segge auf den Schultern war gar nicht daran zu denken.
    »Ich lernte sie auf einem der Feste von Tertius Levkoje kennen. Sie hielt mich anfangs für einen amüsanten Kauz, aber ich warb so geduldig um sie wie einer ihresgleichen, weil … weil sie …« Er machte einen würgenden Ton, der Zorn oder Kummer bedeuten mochte. »Nein, es hat keinen Zweck, dir zu schildern, was ich für Erephine empfand, oder dir unsere gemeinsame Zeit zu beschreiben. Falls du je so geliebt hast, weißt du Bescheid. Wenn nicht, wird es sich allen Erklärungen zum Trotz doch wie der blanke Irrsinn anhören. Als das Parlament dem Druck ihrer Familie nachgab – die Primeln waren schließlich eine der Sieben Familien, die Mitregenten von Neu-Erewhon – und meine Verbannung verkündete, da bedeutete das im Grunde das Ende meines Lebens. Wenn sie mich einfach getötet hätten, hätten sie mir einen Gefallen getan. Wie sich herausstellte, hätten sie sich selbst auch einen Gefallen getan.« Bei dem plötzlichen eisigen Unterton in der Stimme des Beseitigers bekam Theo eine Gänsehaut. »Statt

Weitere Kostenlose Bücher