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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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…«
    »Aber …«
    »Ich werde dir meine Geschichte erzählen. Danach werden wir sehen, was zu tun ist.«
    Theo senkte den Kopf. Auch wenn er in Wirklichkeit mit diesem Mann nicht blutsverwandt war, mußte er nur seine Stimme hören, um die Familienähnlichkeit mit seiner Mutter zu erkennen, diese eisige Schroffheit, die aus einer belanglos erscheinenden Auseinandersetzung schlagartig einen bitteren Konflikt machen konnte und gegen die man mit Zureden sowenig ankam, wie man durch Armeschwenken einen Hurrikan umlenken konnte. »Dann rede eben«, sagte er schließlich.
    »Nun denn.« Die Kälte ließ ein wenig nach. »Wie ich schon sagte, Theo, ich war verzweifelt. Ich war ein Verdammter, wartete auf etwas, das ich mehr fürchtete als den Tod: nicht allein von der Frau getrennt zu werden, die ich liebte, sondern über eine Grenze geschickt zu werden, die ich nicht noch einmal überqueren konnte. Ich hatte an die wenigen Adelsgeschlechter appelliert, die mir wohlgesonnen waren, Levkojen, Veilchen, Narzissen, aber keines von ihnen war bereit, mich gegen das Parlament zu unterstützen und schon gar nicht gegen die Primeln, die in den heftigen Machtkämpfen unter den höchsten Häusern häufig ihre Verbündeten waren. Der Blumenkrieg, den alle bis vor kurzem noch den ›letzten Blumenkrieg‹ nannten, fing gerade an, und deshalb waren Bündnisse besonders heikel und von entscheidender Wichtigkeit. Überhaupt waren die Zustände schlimmer, als ich ahnte, wie ich später herausfand. Also wandte ich mich statt dessen an die einzige mir bekannte Person, die mehr über diese Grenze wissen konnte als die Sieben Familien und die in ihren Diensten stehenden Zauberer oder ›Wissenschaftler‹, wie sie hier genannt werden. Am Tag, bevor die Verbannung vollstreckt werden sollte, suchte ich den sogenannten Beseitiger lästiger Hindernisse auf.
    Ja, ich kam hier an diesen trostlosen Ort, genau wie du und wahrscheinlich von ähnlichen Gefühlen bewegt Angst, Hilflosigkeit, Wut über das, was mir und meiner Liebsten angetan worden war. Ich war verzweifelt. Ich war bereit, alles zu tun.
    Der alte Beseitiger war ein Geschöpf von unendlicher Verschlagenheit und Bosheit, aber ihm lag nichts daran, sich an Leuten zu vergreifen, die ihm persönlich nichts getan hatten, es sei denn, er konnte aus ihrem Leiden irgendeinen persönlichen Nutzen ziehen, und so hatte ich von ihm kaum etwas zu befürchten … wenigstens zunächst. Dennoch trieb er gern seine Spielchen, und so ließ er mich stundenlang in dem Labyrinth vor diesem Raum herumirren, bevor ich eintreten durfte.«
    »Ich habe kein Labyrinth bemerkt.«
    »Nein, hast du nicht. Und er war auch weniger zurückhaltend als ich damit, sich seinen Bittstellern zu zeigen. Als ich schließlich vorgelassen wurde, mußte ich mich zusammennehmen, um nicht auf der Stelle davonzulaufen, aber meine Not war größer als mein Entsetzen oder mein Ekel, und ich zwang mich, ihn anzuschauen, während ich um seinen Beistand bat. Ich erklärte ihm, ich würde fast jeden Preis dafür zahlen.
    Er könne mir helfen, sagte er schließlich, aber als Gegenleistung müsse ich ihm etwas besorgen – ein Menschenkind für eine der mächtigsten Familien, bei der plötzlich ein dringender Bedarf nach einem entstanden war. Selbst in meinem völlig aufgelösten Zustand war es doch noch nicht so weit mit mir gekommen, daß ich einen Säugling der Folter oder Schlachtung überantworten wollte, und ich verlangte, den Zweck und den Empfänger des Kindes zu erfahren. Das Haus gab er nicht preis, aber er schwor bei bestimmten Mächten, in deren Namen man besser keinen falschen Schwur ablegt, wie er und ich wohl wußten, daß das Kind als Mitglied der Familie aufwachsen und ihm kein Leid geschehen werde. Das sollte sich bewahrheiten, jedoch auf eine eher grauenhafte Weise …«
    Theo meinte auf einmal zu sehen, wie sich die Einzelteile zusammenfügten. »War … war ich das? Hast du den Auftrag ausgeführt – und dich dann in diesem Brief bei meiner Mutter dafür entschuldigt?« Aber irgendwie konnte das nicht recht sein.
    »Liebe Güte«, sagte Dowd verächtlich. »Daß man ›quod erat demonstrandum‹ nicht kennt, verstehe ich ja noch, aber kannst du denn überhaupt nicht logisch denken? Was ist seit meiner Jugend bloß aus den Schulen geworden?« Die dunkle Gestalt in der Ecke rutschte hörbar unwillig auf ihrem Stuhl hin und her, und obwohl es in dieser ungeheuerlichen Situation um Leben und Tod ging, entstand in Theo ein

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