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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hatte.
    Er war nur noch ungefähr hundert Meter vom Wasser entfernt, spürte bereits die Feuchtigkeit im Mund und das frische Ozon in den Lungen, als Apfelgriebs neben seinem Ohr etwas sagte, das er am liebsten nicht gehört hätte.
    »Schiet noch eins, jetzt wird’s happig«, waren die Worte, die sie gebrauchte.
    »Was?«
    »Dreh dich nicht um! Reiter auf der anderen Seite des Feldes, dort wo wir hergekommen sind. Höchstwahrscheinlich welche von Rittersporns Grenzwächtern. Sieht so aus, als redeten sie dort hinten mit jemand.«
    »Wahrscheinlich mit diesen Feldfuzzis«, sagte Theo verzagt. »Diese nasenlosen Saftsäcke waren mir gleich nicht geheuer.«
    »Beeil dich einfach. Sie sind weit weg, und sie machen nicht den Eindruck, daß sie … Ups.«
    »›Ups?‹ Was soll das jetzt schon wieder heißen?«
    »Es heißt, daß sie quer über das Feld reiten. Schau nicht zurück! Aber sieh zu, daß du deinen knochigen Arsch zum Fluß bewegst, und zwar ein bißchen dalli, ja?«
    Theo vergeudete keinen Atem mehr mit einer Erwiderung. Er stolperte los, so schnell er konnte. Obwohl er sich nicht mehr um ein leschiges Erscheinungsbild bemühte und sich lieber aufs Laufen konzentrierte als darauf, zu zetern und mit den Armen zu fuchteln, hatte er keinen Zweifel, daß er in seinem erschöpften Zustand und seiner unbequemen Verkleidung nicht so richtig wie ein Mensch aussah: Einer der belaubten Zweige, die er sich in den Kragen gesteckt hatte, war ihm ganz nach unten gerutscht und jetzt kurz davor, zu dem Stock im Arsch zu werden, mit dem Apfelgriebs ihm vorher gedroht hatte.
    Die Sonne war hinter den niedrigen Hügeln im Westen versunken, und obwohl das der Luft eine gewisse hochwillkommene Kühle verlieh, kam Theo jetzt auch der Gedanke, wie es wohl wäre, im Dunkeln durch unbekanntes Gelände gehetzt zu werden. Er hastete auf wackligen Beinen zum Flußrand, wo er stehenblieb und auf die Strömung starrte. Er meinte beinahe, in dem strudelnden Wasser Gesichter erkennen zu können, fingerähnliche Gebilde in der Gischt.
    »Ich … ich bin kein besonders … guter Schwimmer«, japste er.
    »Hast du bei irgendwelchen Nymphen einen Wunsch frei?« Apfelgriebs schien es nicht scherzhaft zu meinen.
    »Was ist eine Nymphe?«
    Sie verzog das Gesicht. »Ich würde sagen, du springst einfach und schwimmst, so gut du kannst, und hoffst das Beste. Denn bis ich dir das erklärt habe, werden diese Berittenen da hinten hier sein.«
    Als Theo sich umdrehte, sah er ein halbes Dutzend hochgewachsener Gestalten, die sich eine Bahn durch das Weizenfeld brachen – nicht in vollem Galopp, aber auch nicht gerade langsam. »Oh, Scheiße«, sagte er und sprang in den Fluß.
    Das Wasser war erstaunlich naß, so als ob es einer Molekularveränderung unterzogen worden wäre: Im Augenblick des Eintauchens hatte er beinahe das Gefühl, daß es mit Gewalt in seine Poren eindringen wollte. Strampelnd und prustend kam er an die Oberfläche, und ein elektrischer Kälteschauer lief ihm das Rückgrat hinauf und umschloß seinen Schädel. Mit schwerfälligen Kraulbewegungen wühlten seine prickelnden Hände das Wasser auf, und kurzzeitig kam er tatsächlich vom Fleck, doch dann packte ihn die Strömung wie eine harte, kalte Faust und wirbelte ihn wie ein Spielzeug herum, so daß er nicht mehr wußte, wo oben und unten war. Er wollte Apfelgriebs rufen, aber die brutale Kälte lähmte ihn völlig. Sonne und Himmel erschienen ihm wie durch ein umgedrehtes Fernrohr, und dieser über ihm rotierende helle Fleck wurde sehr rapide immer kleiner.
    Er ging unter, und sein letzter Atemzug brannte ihm in den Lungen.
    Als die Schwärze gerade sein Bewußtsein auszulöschen begann, meinte er, durch das strudelnde, schlammige Wasser bleiche Gestalten auf sich zuschwimmen zu sehen. Sie umringten ihn, die Gesichter grün wie helle Jade, hart und teilnahmslos wie Masken. Ihre stieren Augen waren wie bodenlose Löcher, wie vergessene Brunnen auf einem Feld, doch das war jetzt bedeutungslos, denn er sank, sank, ertrank, starb …

 
11
Ein Vorfall im Feuchtbiotop
     
     
    W eil sie von Geburt eine Loireag war, eine Art Wasserelfe, hatte Martha Moosphlox eine deutlich höhere Feuchtigkeitstoleranz als andere, trockenere Zeitgenossen. Trotzdem bedrückte sie der heiße, schwüle Abend, und sie spürte, daß die Stimmung der Gäste im Feuchtbiotop nicht die beste war. Ja, mehrere Jahrzehnte Erfahrung als Schankwirtin sagten ihr, daß es einer von diesen Abenden war, an denen man

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