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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gebrochenem Hals, doch sehr groß war sein Vertrauen in seine Fähigkeit nicht, ein Wesen nachzuahmen, das er noch nie gesehen hatte. »Gibt es hier in der Gegend viele von diesen Luschen?« Er erspähte jetzt durch die Bäume ebene, grüngoldene Flächen. »Von denen ich einen darstellen soll?«
    »Kaum welche«, antwortete sie. »Und überhaupt kommen Leschije nicht oft aus dem Wald. Einen Tag im Jahr vielleicht.«
    »Was?« Er hielt an und rieb sich verärgert das Gesicht. »Wie soll dann irgend jemand auf diesen Mummenschanz reinfallen?«
    Apfelgriebs flog so dicht an sein Ohr, daß er die Druckschwankung schmerzhaft spürte. »Ich hab nicht behauptet, daß jemand drauf reinfällt«, zischte sie. »Ich hab nur gesagt, es gäbe eine gewisse Hoffnung, weil erstens mal so ein Waldschrat als einziges Wesen hier groß und dumm genug ist, daß du dich dafür ausgeben kannst, und weil er zweitens an dem einen Tag, wo er sich aus dem Wald wagt, herumläuft und heult und wiehert und sich aufführt wie ein Bekloppter. Frag mich nicht, warum, so oft treibe ich mich auch wieder nicht in den Leschitavernen rum. Aber wenn sie ihren Koller haben, kommt ihnen niemand zu nahe, das heißt, wenn alle denken, du wärst einer, hast du gute Chancen, daß sie dich in Ruhe lassen. Aber für den Fall, daß doch einer genauer hinschaut, weil er grad nichts Besseres zu tun hat, rate ich dir, daß du anfängst, zu kreischen und zu brüllen und was dir sonst noch einfällt, so richtig grätzig. Kapiert? Das ist nämlich zehntausendmal besser, als gebraten zu werden wie eine olle Knolle.«
    Gebührend gemaßregelt verfiel Theo wieder in seinen unnatürlichen Wackelgang.
    Das große Bäumemeer, durch das sie gezogen waren, hatte sich mittlerweile zu ein paar kleinen, über den Hang verteilten Gehölzen ausgedünnt. Auf ihrem Weg von einer Baumgruppe zur anderen sah Theo, daß sie in eine ungeheuer weite Ebene abstiegen. Sie war zu beiden Seiten von grünen Gebirgszügen eingefaßt, satt wie der Hintergrund eines Maxfield-Parrish-Gemäldes, doch die waren weit weg, die nächsten Berge mindestens zwei Stunden zu Fuß, schätzte er, wahrscheinlich mehr. Am Fuße des Berges, den sie hinuntergingen, war das Land eingeebnet und gepflügt worden, und die Erde war dunkel wie gemahlener Kaffee, was man allerdings unter der dichten Decke sich wiegender, schimmernder Halme kaum erkennen konnte. Hier und da bewegten sich Gestalten im Korn, bückten sich und richteten sich wieder auf.
    »Was … was ist das?«
    »Weizen. Beug dich weiter vor, du wirkst schon wieder wie ein Mensch.«
    Er krümmte sich und fühlte dabei einen stechenden Schmerz im Rücken. »Aber … aber er sieht aus wie Gold. Wie richtiges Gold!«
    »Du meinst doch nicht etwa, daß wir Elfenbrot aus demselben Zeug backen, das ihr Menschen anbaut, oder? Geh weiter!«
    Beim Abstieg führte Apfelgriebs ihn seitlich in einem großen Bogen über den Hang, damit sie das breite Feld näher am Rand durchqueren konnten. Nach wenigen Minuten landete sie auf seiner Schulter - »Wenn sie mich rumfliegen sehen, werden sie sich fragen, wieso eine Fee mit einem Leschi unterwegs ist«, erklärte sie – und nistete sich zwischen den Zweigen und Blättern ein, gab aber von ihrem neuen Standort aus weiter Anweisungen. »Ast und Wurzel, Mann, kannst du nicht daran denken, ein bißchen zu krakeelen? Und fuchtele mit den Armen!«
    Theo wollte nicht in einem Flechtwerkmann sterben und auch nicht durch irgendwelche anderen wunderlichen Verfahren, die die Einheimischen ausgeheckt haben mochten. Er bemühte sich, passende Geräusche und Bewegungen zu machen. Er sah, daß einige der Landarbeiter in der Nähe stehengeblieben waren und ihn über die Spitzen der Reihen hinweg beobachteten, stellte aber zu seiner Erleichterung fest, daß keiner die Neigung zu verspüren schien, etwas anderes zu tun, als zu gucken.
    Er stolperte weiter, dankbar, daß die Sonne langsam auf den Horizont zusank. Er hätte sich die Welt der Märchen nicht als ein Land vorgestellt, in dem man sich einen Sonnenbrand holen konnte, auch wenn ihn der Schlamm und die Zweige wahrscheinlich davor bewahrten, aber es war jedenfalls warm genug, daß die Blätter in seinem Nacken juckten wie der Teufel und die heiße Lederjacke ihm als harte Strafe erschien. Ein klitzekleiner Trost war der Geruch des Weizens, ein voller, berauschender Duft nach frisch gezapftem Bier, als ob die Körner Elfiens schon trunken machten, bevor sie überhaupt einen

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