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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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musterte seine zerlumpten Kleider und seine langen, nackten Füße. Ihr erster Impuls, ihn wegzuschicken, war immer noch stark. Er hatte wirklich den typischen, leicht beißenden Goblingeruch, und eine nervöse innere Stimme sagte ihr, daß heute nicht der richtige Abend war, um irgend etwas Ungewöhnliches zu tun. Andererseits war er außerordentlich höflich für einen Goblin oder für sonstjemand, und er machte in der Tat den Eindruck, daß das Schicksal ihm übel mitgespielt hatte.
    Was wäre aus mir geworden, wenn mein lieber Semellus mich damals nicht ins Haus geholt hätte? Wo wäre ich jetzt? Würde ich unten am Hafen Betrunkene von der Straße aufsammeln? Oder nicht einmal das?
    Sie fand, daß sie zwar diesem eigenartigen kleinen Kerl nichts schuldig war, aber dafür der Erinnerung an Semellus Kegel-Melisse, der sie als junge Ausreißerin aufgenommen und schließlich zur Herrin des Hauses gemacht hatte, faktisch zu seiner Ehefrau.
    »Na gut«, sagte sie. »Du kannst hier ein bißchen auffegen. Und dann da hinten die Gläser abräumen und spülen. Für ungefähr eine Stunde Arbeit bekommst du ein Essen.«
    Er machte einen tiefen Kratzfuß, wobei seine Kniegelenke knackten wie knorriges Holz im Feuer. »Überaus gütig, gnädigste Frau Schankwirtin. Ich wünsche Segen auf dein Haus herab.«
    Jetzt lächelte sie doch. »So, so. Und wie war noch mal dein Name?«
    Er zog eine borstige Braue hoch. »Ah. Mein Name. Ah.« Er nickte bedächtig, als hätte sie ihn gebeten, die Geheimnisse der Ältesten Bäume zu erläutern. »Knopf ist mein Sippenname. Dreck nennt man mich in den Straßen dieser schönen Stadt. Wie ich mich selbst nenne, ähem, das muß verborgen bleiben.« Er schüttelte traurig den Kopf, dann sah er zu ihr auf, und seine gelben Augen glänzten. »Ich meine es gut mit dir, deshalb.«
    Es war zu heiß für Goblinrätsel. Martha deutete auf den Besen.
     
    D er kleine Kerl schien ein tüchtiger Arbeiter zu sein, und obwohl er ein paar unfreundliche Bemerkungen von den jungen Adeligen einstecken mußte, die in der Nähe des Billardtisches saßen – ein junger Bursche in schwarzgoldener Stechapfeltracht schien der Anführer zu sein und trieb es so arg, daß eine von Marthas Serviererinnen bereits mit Tränen in den Augen ins Hinterzimmer geflohen war –, schwang er ruhig und stetig den Besen. Etwas später kam noch eine Gruppe älterer Adeliger herein, drei wohlhabend aussehende Herren und eine Dame, alle bereits leicht angeheitert, und ihre Gegenwart dämpfte den Lärm am Stechapfeltisch ein wenig. Martha entspannte sich.
    Als Knopf mit Fegen fertig war, nahm Martha ihn an seinem knochigen, behaarten Ellbogen. »Das hast du ordentlich gemacht. Jetzt setz dich her und iß einen Happen. Wacholder hat heute abend ein leckeres Kaninchenragout gemacht – an deiner Stelle würde ich das den Muscheln vorziehen. Und ich schenk dir dazu ein Glas Bier ein.«
    Die gelben Augen funkelten, und die lange Nase zuckte; jetzt schien er derjenige zu sein, der sich das Lachen verkniff. »Überaus gütig, Jungfer. Wenn du mir das Essen bitte in einen Beutel tun würdest, dann nehme ich es mit, wenn ich mit der Arbeit fertig bin. Ich gedenke es mit jemandem zu teilen. Was das Bier betrifft, so bedarf es deiner Güte nicht, da ich nicht trinke. Ähem, aber wo ich jetzt drüber nachdenke, kann es sein, daß mein Freund gern eines hätte. Läßt sich Bier in einem Beutel transportieren?«
    »Na, eigentlich nicht, aber ich schau mal, ob mir was einfällt. Komm, setz dich und iß! Den Rest kannst du dann mitnehmen.«
    Er entzog ihr sanft, aber nachdrücklich den Arm, und Martha merkte, daß er eine erstaunliche sehnige Kraft besaß, auch wenn er nicht einmal dreiviertel so groß war wie sie. »Nein, vielen Dank. Ich darf hier in der Öffentlichkeit nicht essen. Ähem. Eine Eigenheit von mir.« Er machte eine drollige kleine Verbeugung. »Ich räume schnell die Gläser ab, das mache ich jetzt noch.«
    Achselzuckend ließ sie ihn gehen. Nachdem sie an die Durchreiche getreten war und Wacholder gebeten hatte, einen fest verschließbaren Behälter für das Ragout zu finden und noch die Flasche Orchideenblitz Hell, die sie ihm reichte, mit in den Beutel zu stecken, wischte sie nachdenklich die Theke ab. Im Grunde genommen hatte sie vorher noch nie mit einem Goblin gesprochen. Waren sie alle so seltsam …?
    Mit von der Hitze schlaff herabhängenden Flügeln kam Wacholder aus der Küche und stellte den Beutel auf die Theke, doch er

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