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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mich!« Damit beschrieb sie einen Bogen um ihn, schoß dann wie eine Kugel davon und verschwand als ein roter Strich zwischen den Bäumen.
    Theo ließ sich ins Gras sinken und legte den Kopf in die Hände, um seinen Augen Ruhe zu gönnen. Dieses ganze absurde Theater überstieg sein Fassungsvermögen. Vor wenigen Stunden noch hatte er ein normales Leben in seiner normalen Hütte in den normalen nordkalifornischen Bergen geführt. Kein tolles Leben vielleicht, in letzter Zeit sogar ein ziemlich elendes Jammerleben, aber auf jeden Fall eines, in dem er vor Monstern aus Leichenteilen und klugscheißerischen Elfen weitgehend verschont geblieben war.
    Wie hat Onkel Eamonn bloß diesen Irrsinn ausgehalten, ohne selbst durchzudrehen? Klar, sein Großonkel hatte danach gesucht. Es war der Traum seines Lebens gewesen.
    Bei dem Gedanken zog er das Notizbuch aus der Tasche der Lederjacke, die er sich um die Taille gebunden hatte. Das Buch war ihm beim Gehen so penetrant an die Beine gebufft, daß er schon daran gedacht hatte, es wegzuwerfen, so sehr hatte es ihn genervt – Theo war kein großer Wanderer, wie er gerne zugab –, aber es war derzeit seine einzige Verbindung zu der Welt, die er kannte.
    Ich habe es fast ganz gelesen, dachte er bei sich. Ich erinnere mich dunkel daran, daß einige der Familien nach Blumen benannt waren, aber warum ist mir von diesen Würgern und Kriechern nichts im Gedächtnis geblieben?
    Während er auf Apfelgriebs’ Rückkehr wartete, überflog er die Seiten, um zu schauen, ob ihm vielleicht sonst noch etwas entgangen war, das ihn davor retten konnte, vom großen bösen Wolf oder einem anderen gräßlichen Ungetüm gefressen zu werden. Es war schlicht nicht zu glauben, daß er tatsächlich hier war – daß alles in dem Buch die Wahrheit gewesen war …
    Da kam Apfelgriebs wieder angesaust. »Streß«, sagte sie. »Wir sind hart am Rand von einem der Ritterspornschen Güter. Wir könnten es umgehen, aber das würde uns Tage kosten.«
    »Tage …?«
    »Bis wir bei Rainfarn wären. Rittersporn wird sich nicht in der Nähe des Guts aufhalten, weil er zu beschäftigt ist, den weißen Hirsch zu jagen, aber wenn einer seiner Verwalter von dir Wind bekommt, wird Durchlaucht recht fix hier auftauchen.«
    Theo zuckte die Achseln. »Also, was sollen wir machen? Du kannst fliegen, aber ich todsicher nicht.«
    Sie fixierte ihn streng, hatte vielleicht eine grobe Bemerkung auf den Lippen, doch dann hellte sich ihr Gesicht auf. Sie richtete einen Finger auf ihn. »Verkleiden, Bürschchen. Auf die Weise retten wir deine zarte Menschenhaut.«
     
    E r schüttelte den Arm. Aus dem Ärmel seiner Lederjacke regnete es kleine Zweige. »Was soll ich darstellen, eine Vogelscheuche?«
    »Laß die Zweige, wie sie sind, sie sollen rausstehen. Die Blätter in deinen Haaren genauso. Nein, du bist keine Vogelscheuche, du bist ein Waldschrat. Ein Leschi, wie manche sie nennen. Bißchen groß, aber wenn du einen Buckel machst …«
    »Du meinst, ich soll in dieser Kostümierung weitergehen? Da krieg ich ja einen Hitzschlag.«
    »Du wirst Schlimmeres kriegen, wenn Rittersporn und seine Genossen dich zu fassen bekommen. Die stecken dich in den Flechtwerkmann und braten dich wie eine Kartoffel von Hy Breasil, jawoll. Jetzt hör auf rumzuzappeln, damit ich dir diesen Matsch ins Gesicht schmieren kann.«
    »Mmmbsch? Wnnnlls?«
    »Damit du wie ein alter Schrat aussieht, der im Wald lebt und bei Tag kaum je herauskommt.« Sie schwirrte ein Stück zurück und betrachtete ihr Werk. »Ein paar Blätter mehr im Haar hätten nicht geschadet. Na ja. Laß den Kragen von der Jacke hochgeschlagen. Und jetzt folge mir. Nein, ich hab doch gesagt, langsam. Als ob du krumme Beine hättest.«
    »Schwer, daran zu denken.«
    »Ich sag dir mal was, Bürschchen: Ich versuch hier, dir das Leben zu retten, und du stellst dich sonstwie an. Vielleicht sollte ich einen von diesen Stöcken nehmen und ihn dir in den Allerwertesten schieben. Dann würdest du langsam gehen, wetten?«
    »Weißt du was, in Zentimeter umgerechnet bist du die unangenehmste Person, die mir je begegnet ist.«
    Er folgte ihr durch den lichter werdenden Randbereich des Waldes. Der Schlamm auf seinem Gesicht juckte bereits, doch nicht halb so schlimm wie die Zweige und dürren Blätter in seiner Jacke und seinen Hosenbeinen. Theo gab sich alle Mühe, den watschelnden, armschlenkernden Gang beizubehalten, den Apfelgriebs ihm vorgemacht hatte, ungefähr wie ein Schimpanse mit

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