Der Blutengel
ich denn da?«, flüsterte sie überrascht.
Iris lachte. »Ja, wir sind es, Schwester Margret.«
»Und wohin...«
»Ich verlasse das Krankenhaus.«
»Ach, davon weiß ich ja nichts.« Sie schaute mich streng an. »Tragen Sie daran die Schuld.«
»Genau.«
»Dann sind Sie John Sinclair, der Mann von Scotland Yard.«
»Genau das bin ich.«
»So ist das also. Ist denn Dr. Kellerman darüber informiert?«
»Wir wollten ihn soeben informieren.«
»Da müssen Sie sich noch gedulden. Unser Oberarzt hat einen Einsatz, wie wir sagen.«
»Gut. Dann kann Iris ihre Kleidung schon mal anziehen.
»Wenn sie will.« Die Schwester nickte ihr zu. »Kommen Sie, wir gehen zur Kleiderkammer.«
»Gut. Warten Sie auf mich, Mr. Sinclair.«
»Klar doch.«
Tief in meinem Innern war ich froh, dass sich die Dinge letztendlich geglättet hatten. Aber wie konnte es weitergehen? Wir mussten so schnell wie möglich eine Lösung finden.
Auch wollte ich mit Suko in Kontakt treten. Möglicherweise hatte er etwas herausgefunden, was uns weiterbrachte. Es würde noch etwas dauern, bis die beiden Frauen aus der Kleiderkammer zurückkehrten. In der Zwischenzeit konnte ich Suko anrufen. Das wollte ich allerdings von außerhalb der Klinik machen.
Ich hatte vor, die Treppe zu nehmen, aber ich stellte meinen Fuß nicht mal auf die erste Stufe, weil mir von unten her jemand entgegenkam, den ich gut kannte. Einer, der wohl die gleichen Gedanken verfolgt hatte wie ich.
»Hallo, Partner«, sagte ich nur und schaute zu, wie Suko die letzten Stufen hochschritt...
***
Wir hatten uns in kein Krankenzimmer verzogen und hatten auch nicht das Totenzimmer in Beschlag genommen, sondern im Treppenhaus in der ersten Etage in einer Sitzgruppe unsere Plätze gefunden, die eben für Besucher gedacht war.
Dass die Krankenhäuser kein Geld hatten, erkannten wir an diesen Möbelstücken. Das Kunstleder auf den Stühlen war nicht nur abgeschrammt, sondern auch gesplissen. In einem derartigen Zustand wären die Stühle selbst auf einem Flohmarkt nur schwer zu verkaufen gewesen, aber das war jetzt unwichtig.
Für mich zählte erst mal nur, was mir mein Freund zu berichten hatte. Das war zwar wenig, aber es reichte aus, um wenigstens einen Ansatz finden zu können.
»Dann kann ich nur sagen, dass Iris King verdammt viel Glück gehabt hat, wenn ich daran denke, wie es Dave Mitchell ergangen ist.«
»Das kannst du laut sagen.«
Suko schaute mich an. »Und du bist sicher, dass dieser Blutengel endgültig vernichtet ist?«
»Ja, das bin ich.«
»Dann müssen wie leider davon ausgehen, dass wir es nicht nur mit dem einen zu tun gehabt haben, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich den gleichen Engel gesehen habe wie du, obwohl sie möglicherweise gleich aussehen.«
»Beschreibe ihn.«
Das tat Suko. Allerdings brauchte er nicht viel zu sagen. Schon nach kurzer Zeit winkte ich ab.
»Sie sind identisch.«
»Dachte ich mir.«
»Aber es gibt noch vier andere Personen, die wir finden müssen.« Suko lehnte sich zurück. »Ich weiß die Namen leider nicht, doch es könnte sein, dass Iris King sie kennt.«
»Du gehst davon aus, dass sie ebenfalls zu dieser Gruppe gehört hat, sie psychisch labil gewesen ist und deshalb Hilfe gesucht hat.«
»Ja, das meine ich.«
Suko nickte. »Wir sollten so bald wie möglich mit ihr reden. Im Moment ist sie unsere einzige Chance.«
Ich wollte etwas erwidern, aber die Glastür zur Station wurde aufgestoßen und Dr. Kellerman verließ die Station. Er schaute sich um und sah uns sofort.
»Da sind Sie ja.«
Ich stellte Suko vor. Der Arzt nahm bei uns Platz. »Ich habe schon von Schwester Margret gehört, dass Iris King die Klinik verlassen will und dass Sie, Mr. Sinclair, nicht unschuldig daran sind.«
»So kann man es auch nennen.«
»Darf ich den Grund erfahren?«
Ich wusste nicht, ob ich ihm die ganze Wahrheit sagen sollte. Es war wohl nicht einfach für einen Menschen wie ihn, sie zu verkraften. Okay, er hatte uns praktisch ins Boot geholt und...
Er unterbrach mich. »Sie müssen kein Blatt vor den Mund nehmen, Mr. Sinclair, ich kann viel vertragen.«
»Okay, wir wissen jetzt, worum es geht und wie bestimmte Dinge zustande gekommen sind.«
»Da bin ich gespannt.«
Ich weihte ihn in die Einzelheiten ein. Er hörte mir gespannt zu. Es war interessant, zu verfolgen, wie sich der Ausdruck in seinem Gesicht änderte. Einige Male sah er sehr gläubig aus, dann wiederum schüttelte er den Kopf, und letztendlich schlug
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