Der Blutengel
er die Hände vors Gesicht. Sekundenlang blieb er in dieser Position.
»Das ist verrückt«, flüsterte er. »Das ist der reine Wahnsinn. Das gehört ins Kino.«
»Auch die fehlenden Blutkörper?«, fragte ich.
Er schaute mich an und sagte nichts.
»Es ist eine Tatsache, die sich durch die menschliche Logik nicht erklären lässt!«, fasste ich zusammen. »Aber das Spiel ist noch nicht abgepfiffen, es geht weiter.«
»Natürlich.«
»Deshalb brauchen wir dringend die Namen der anderen Patienten. Dave Mitchell können Sie streichen.«
»Ich weiß.« Dr. Kellerman nickte, bevor er in seine rechte Kitteltasche griff und einen Zettel hervorholte. Er faltete ihn auseinander und strich ihn glatt.
»Ich habe mir die Namen hier notiert und hatte sie Ihnen schon länger bekannt geben wollen, aber ich bin erst jetzt dazu gekommen.«
»Macht nichts«, sagte ich.
Der Arzt räusperte sich, bevor er begann. »Also, es sind drei Männer und eine Frau.« Er las jetzt vor. »Helen Spride, Gil Dawson, Frank Trulli und Wesley Steele.«
Suko und ich hatten gut zugehört. Wir mussten uns allerdings eingestehen, dass diese Namen uns nichts sagten.
»Mehr weiß ich auch nicht.«
»Keine Adressen?«, fragte ich.
»Nein, aber ich kann Sie herausfinden. Zuerst hatte ich mich um Mitchell gekümmert.«
»Das wäre nett.«
Er nickte uns zu. »Okay, ich werde die Kollegen in den Kliniken anrufen.«
Dr. Kellerman stand auf und ging. Mir kam es vor, als würde er viel gebeugter gehen als sonst.
Suko schaute ihm nach. »Wie kommst du mit ihm zurecht?«, erkundigte er sich.
»Gut. Er ist sehr kooperativ gewesen. Da kann ich mich wirklich nicht beschweren.«
Wieder wurde die Tür aufgestoßen. Etwas behutsamer als zuvor von Dr. Kellerman. Iris King kam auf uns zu. Sie kannte mich, doch Suko schaute sie scheu an.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, Iris. Dieser Mensch sieht zwar schlimm aus, aber so ist er nicht. Er kann manchmal sogar recht nett sein. Er heißt übrigens Suko und ist mein Kollege.«
Der Inspektor stand auf. Er begrüßte die junge Frau mit seinem besten Lächeln, das den Panzer der Scheu bei ihr zerstörte. Sie setzte sich dorthin, wo auch Dr. Kellerman gesessen hatte, und als ich sie anschaute, musste ich lächeln. Das Krankenhaushemd hatte sie mit einer Disco-Kleidung vertauscht. Sie trug eine enge Hose, die unten ausgestellt und an den Seiten Aufsätze von bunten Perlen hatte. Der Hosenstoff bestand aus einem Material, das aus silbrigen Schlangenschuppen zu bestehen schien.
Das Oberteil war bauchfrei. Es war schwarz, saß sehr eng und unter den Brüsten war ein knallroter Schmollmund zu sehen, der zum Küssen einlud.
»Nicht schlecht«, sagte ich und deutete auf die Schuhe. Sie hatten spitze Absätze und waren mit ein paar Riemen um die Füße gewickelt worden. »Kann man darin laufen?«
»Sogar tanzen«, erwiderte Iris etwas verlegen. In ihrem Outfit kam sie sich nicht eben passend vor. Eine Handtasche besaß sie nicht, dafür jedoch einen Bauchgürtel mit verschließbarer Tasche.
»Wie geht es denn jetzt weiter mit mir?«, fragte sie mit leiser Stimme.
»Wenn möglich, Iris, möchten wir, dass Sie uns einige Fragen beantworten.«
»Wenn ich kann.«
»Das werden wir sehen.« Ich nahm den Zettel an mich, den mir Dr. Kellerman überlassen hatte. Mit einem Seitenblick erkannt ich, dass mich Iris genau beobachtete, und ich ließ sie ebenfalls nicht aus den Augen, als ich die Namen vorlas.
»Helen Spride, Gil Dawson, Frank Trulli und Wesley Steele. Sagen Ihnen diese Namen etwas?«
»Einer fehlt noch.«
»Dave Mitchell?«
Sie nickte.
Ich war zunächst mal sprachlos. Von nun an musste ich die Dinge mit anderen Augen sehen, und ich dachte daran, dass wir eine Chance hatten, näher an den Fall heranzukommen.
»Woher kennen Sie die Leute?«
»Wir waren etwa vor einem halben Jahr zusammen in einer Gruppe.«
»Selbstfindung?«
»Genau.«
»Und? Haben Sie sich gefunden?«
»Nein, eigentlich nicht. Jeder, der zu der Gruppe zählte, hatte so seine Probleme.«
»Sie auch?«
»Ja.«
»Möchten Sie darüber sprechen?«
Iris überlegte noch. Sie schaute gegen ihre Hände, die sie zusammengelegt hatte.
Wir ließen ihr die nötige Zeit und lauschten dann der leisen Stimme. »Eigentlich habe ich nicht so recht dazugehört«, gab sie zu. »Ich bin einfach nur hingegangen, weil ich einer Freundin einen Gefallen tun wollte. Es ist Helen Spride. Naja, und dann haben wir eben zugehört.«
»Wo gingen Sie denn
Weitere Kostenlose Bücher