Der Blutengel
schon, dass sich niemand melden würde, dann hörte sie doch eine Stimme. Suko und ich beobachteten die junge Frau, und wir schüttelten den Kopf, als wir ihre Reaktion erlebten, denn die passte nicht zu dem, was wir uns erhofft hatten.
»Bitte, ich meine...« Sie hörte wieder zu. »Nicht mehr?« Erneutes Zuhören. »Dann ist es gut.«
Ich nahm das Handy wieder an mich. »Wir haben wohl kein Glück, nicht wahr?«
»Genau. Es war die richtige Nummer, aber da hatte sich ein Mann mit anderem Namen gemeldet, der jetzt in der Wohnung lebt. Komisch.«
»Und wo steckt ihre Freundin Helen?«, fragte Suko.
»Das weiß ich nicht.«
Es wäre ja perfekt gewesen, wenn wir nur die Krankenhäuser hätten abfahren müssen, um mit den entsprechenden Protagonisten zu sprechen. Leider waren sie inzwischen entlassen worden. Nur Iris King und Dave Mitchell hatte es später erwischt. Aber Mitchell war tot. Iris hatte den Angriff mit meiner Hilfe abwehren können.
Was war jetzt mit den anderen vier Personen geschehen?
Ich kam noch mal auf Helen Spride zu sprechen. »Hat der Mann denn etwas über sie gesagt?«
»Nein. Er hörte sich wenig kooperativ an. Er sagte nur, dass sie nicht mehr dort wohnen würde, und dagegen kann ich auch nichts machen, das verstehen Sie doch.«
»Sicher, das verstehen wir.«
»Ich weiß nicht mehr weiter.«
So leicht wollte ich es mir nicht machen. »Überlegen Sie genau, Iris. Wo könnte sie sein? Was wissen Sie über Helen?«
Iris schaute sich in ihrem Zimmer um wie eine Fremde. »Wir waren zwar befreundet«, erklärte sie, »aber diese Freundschaft bestand darin, dass sich zwei Einsame gefunden haben. Ich lernte sie in einer Disco kennen, und von ihr kam der Tipp.«
»Dann hat Helen Sie mitgenommen?«
»Ja, das hat sie, denn sie wusste Bescheid. Sie wollte noch etwas tun, sie war davon überzeugt, dass es ihr besser ging und sie die nächste Zeit besser überstehen würde.«
»Welche Zeit?«
Iris schaute mich an. In ihren Augen sah ich, dass sich ihre Überlegungen auf dem richtigen Weg befanden. Suko und ich ließen sie in Ruhe nachdenken, und sie setzte sich dabei mit einer langsamen Bewegung auf das Bett.
»Komisch, dass ich das vergessen habe.«
»Was bitte?«
»Die Sache mit... äh... mit Helen. Sie musste weg. Ein Jahr Urlaub, hat sie gesagt und dabei so seltsam gelächelt.«
»Wirklich Urlaub?«
Iris nickte. »So hat sie sich ausgedrückt. Aber daran kann ich nicht wirklich glauben, ehrlich nicht. Schon damals nicht. Ich habe gelacht, aber sie hat darauf bestanden.«
»Ist sie denn in Urlaub gefahren?«
»Direkt nach unserem letzten Treffen in der Engelsburg. Von da an habe ich sie nicht mehr gesehen, und das liegt jetzt auch schon einige Zeit wieder zurück.«
Ich hob die Schultern. »Dann können wir Helen vergessen, falls Ihnen nicht einfällt, wohin sie gefahren ist.«
»Das war kein richtiger Urlaub!«, erklärte Iris plötzlich.
»Sondern?«
»Sie hat es nur als Urlaub angesehen. Tatsächlich aber musste sie woanders hin.«
»Ach und wo?«
»In den Knast!«
Wow! Mit dieser Aussage hatten weder Suko noch ich gerechnet. Suko und ich schauten uns an wie zwei Menschen, die kein Wort von dem glaubten. Das sah auch Iris, und sie bestätigte noch mal, dass Helen in den Knast gemusst hatte.
»Weswegen?«, fragte ich.
»Das weiß ich nicht. Ein Jahr sollte der Aufenthalt dauern. Sie hat keinen umgebracht. Es ging wohl um Betrug, aber Genaues weiß ich nicht. Sie sagte nur mal zu mir, dass ich nicht glauben könnte, wie leicht man manche Menschen herumkriegen kann. Man muss nur den richtigen Punkt bei ihnen treffen und die Gier wecken. Da ist sie ziemlich auf Zack gewesen, das kann ich behaupten.«
Die Gier wecken!
Klar, das hatten in den letzten Jahren viele getan. Vor allen Dingen mit dubiosen Abschreibungsgeschäften. Ich zählte Helen Spride zu dieser Kategorie.
»Sie wollte sich stark machen, bevor sie in den Urlaub ging. Das hat sie gesagt.«
»Toll, dass Sie sich erinnert haben, Iris«, sagte ich. »Es wird kein Problem sein, herauszubekommen, wo sich Ihre Freundin befindet. Was mit den anderen geschehen ist, wissen Sie nicht – oder?«
»Nein, da bin ich überfragt. Ich hörte ja nur, dass auch sie diesen Verlust an Blutkörpern haben. Das Schicksal eines Dave Mitchell gönne ich ihnen nicht.«
»Waren denn alle Singles«, fragte Suko.
»Ja, das waren wir.«
Suko schaute mich an. »Ich werde mal etwas telefonieren. Wo Helen Spride einsitzt, das werden wir
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