Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
vom Lachen einen Schluckauf bekommen hatte, hickste lautstark in der Stille, klang dabei wie ein Frosch und wurde knallrot vor Scham.
„Willst du mir jetzt gleich etwas über das Monster erzählen, Sandra, oder sollen wir das lieber anschließend privat besprechen, von Frau zu Frau?“
Das Mädchen sprach mit zusammengebissenen Zähnen und nahm sichtlich ihren gesamten Mut zusammen. „Es ist ein Skelett in einem Bärenfell.“
Niemand lachte. Der Junge mit dem Schluckauf hielt sich den Mund mit beiden Händen zu, hatte sich vornüber gebeugt und den Kopf zwischen die Beine genommen. Sein Hicksen ließ sich davon nicht zum Verstummen bringen, und sein Nebensitzer klopfte ihm heftig auf den Rücken, als könne er ihn damit kurieren.
„Ein Skelett in einem Bärenfell ist ungewöhnlich“, sagte Margarete vorsichtig. Es war nicht ihre Absicht, das Mädchen lächerlich zu machen. Aber bei einem so seltsamen Ungeheuer fand sie keinen Ansatzpunkt. „Weißt du, was es von dir will?“ Offenbar war es Sandra wichtig, die Sache hier, vor allen Mitschülern, zu diskutieren.
„Wie soll ich das wissen? Es spricht nicht mit mir.“
„Neulich hat sich Sandra in die Hose gepisst“, ließ sich ein anderes Mädchen vernehmen.
„Serap!“, schalt Dennis.
„Es ist wahr!“
„Wir hatten aber besprochen, dass wir nicht mehr darüber reden. Hast du das vergessen?“ Auf Dennis Harbachs männlicher Stirn trat eine Ader dick hervor, und Margarete fiel auf schrecklich unpassende Weise ein, wie sie damals miteinander Liebe gemacht hatten. Er hatte ganz genau so ausgesehen wie jetzt. Warum hatten Männer die gleiche Miene, wenn sie zum Höhepunkt kamen und wenn sie wütend wurden?
„Wenn es aber die Wahrheit ist!“, beharrte Serap. „Man darf nicht lügen, aber die Wahrheit darf man sagen! Immer!“
„Sie hat recht“, flüsterte Sandra, und Margarete zog innerlich den Hut vor so viel Tapferkeit. „Es ist die Wahrheit, und die Wahrheit muss man aussprechen. Es hätte mich fast gehabt, deshalb hatte ich so große Angst, dass ich …“
„Sandra, du musst mir jetzt zuhören.“ Margarete erhob sich von ihrem Stuhl und ging auf das blasse Mädchen zu. Es hatte seine Hände unter die Schenkel geklemmt und schaukelte leicht vor und zurück. Der Blick war auf die Frau gerichtet, aber er war unstet, sprang immer wieder in dem Stuhlkreis umher. Die Dozentin nahm den Gegenstand aus einer Tasche ihres Kleides, den sie eigens für Sandra mitgebracht hatte. Er war in ein kleines Seidentuch eingeschlagen, und es dauerte eine Weile, bis sie ihn ausgewickelt hatte. „Das ist ein Amulett. Ein Amulett ist ein Gegenstand, der vor dem Bösen schützt. Jedes Amulett ist anders. Kannst du dir denken, wogegen dieses wirkt?“
Sandra sah sie nur aus riesengroßen Augen an. Die Elfjährige beobachtete, wie ihr die Frau das pflaumengroße Objekt vors Gesicht hielt. Erst nach einer halben Minute zog das Mädchen die rechte Hand unter dem Schenkel hervor und hielt sie so, dass die Dozentin den Gegenstand hineinlegen konnte. Köpfe reckten sich in ihre Richtung. Das Amulett war nicht viel mehr als ein Klumpen Silber, stark oxydiert, mit einem grob eingearbeiteten Pentagramm, das sich über einen stilisierten Menschen legte.
„Das ist das Pentagramm des Agrippa. Pentagramme nennt man solche fünfzackigen Sterne. Agrippa von Nettesheim lebte ihm fünfzehnten Jahrhundert und war Alchemist. Die Alchemisten wollten Gold herstellen, aber sie interessierten sich auch für eine Menge anderer Dinge, zum Beispiel dafür, wie man sich gegen Krankheiten, Unglück und Dämonen schützen kann. Amulette mit dem Pentagramm des Agrippa wehren böse Mächte ab. Man kann sie heute in jedem Esoterik-Laden für ein paar Euro kaufen, aber dieses hier, das du jetzt in der Hand hältst, ist über dreihundert Jahre alt. Ich möchte die Esoterik-Läden nicht schlecht machen, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich für dieses hier entscheiden.“
Das Kind betrachtete es aus der Nähe, drehte es um und verschloss es dann in der Faust, wie, um zu prüfen, ob eine besondere Kraft darin zu spüren war. „Ist das nicht wertvoll?“, fragte Sandra nach einer Weile.
„Ziemlich“, erwiderte Margarete. „Deshalb hätte ich es gerne zurück, wenn du das Ungeheuer besiegt hast. Egal, ob das morgen ist oder in zehn Jahren.“
„Bis dahin kann ich es behalten?“
„Ich habe noch mehr zu Hause, aber das ist eines der stärksten.“ Das war nicht gelogen. Gegen
Weitere Kostenlose Bücher