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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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eine Macht, wie der auf Falkengrund eingesperrte Baron Lorenz von Adlerbrunn sie darstellte, würde dieses Agrippa-Amulett kaum mehr als ein Kieselstein sein, aber gegen geringere Einflüsse war seine Wirksamkeit nicht zu unterschätzen.
    Sandra schien nicht ganz überzeugt. Sie bedankte sich artig bei Margarete und schirmte ihre Leihgabe eifersüchtig gegen die Blicke und gierigen Hände der anderen ab. Doch auf ihrer Stirn stand eine tiefe Falte.
    Margarete konnte sich sehr gut vorstellen, was im Kopf des Mädchens vorging.
    Hilft es auch gegen Skelette in Bärenfellen? , musste die Frage lauten, die in Sandras Gedanken umherschwirrte. Margaretes Antwort wäre natürlich gewesen: Ganz besonders gegen Skelette in Bärenfellen.
    Da die Frage nicht gestellt wurde, musste auch die Antwort unausgesprochen bleiben. Und das war gut so.
    So musste sie wenigstens nicht flunkern.
    Sie war nämlich alles andere als sicher, ob ihr Amulett in diesem Fall überhaupt irgendeine Wirkung zeigen würde …

4
    „Ich denke, Sandra ist ein Fall für den Schulpsychologen“, meinte die Dozentin von Falkengrund später zu Dennis Harbach und seiner Kollegin Heidelinde Reich, als sie zu dritt in einer Ecke des Lehrerzimmers bei einem Kaffee saßen.
    „Es wundert mich, das aus Ihrem Mund zu hören“, sagte die Lehrerin der 5a.
    „Ich weiß.“ Margarete schluckte den Rest Butterkeks hinunter und spülte mit Flüssigkeit nach. Der Kaffee war stark und aromatisch und weckte die Lebensgeister. „Ich habe behauptet, dass es Ungeheuer gibt, und das hätte ich nicht gesagt, wenn ich in meinem Leben nicht schon genügend Beweise dafür gesammelt hätte. Aber was Sandra betrifft – das Monster ist nur da, wenn sie zu spät kommt.“
    Dennis hob den Zeigefinger. „Weil sie dann alleine im Flur ist.“
    „Möglich, ja, aber könnte es nicht sein, dass dieses Monster nur eine … eine Projektion ihres schlechten Gewissens ist? Sie bestraft sich selbst für ihr Zuspätkommen, indem sie ein Monster erschafft.“
    „Mit so etwas Ähnlichem ist der Schulpsychologe auch angekommen“, bemerkte Dennis.
    „Wirklich?“
    „Ja. Er sagte, Kinder bestrafen sich oft selbst mit Illusionen. Erwachsene tun das auch manchmal, indem sie sich zum Beispiel einbilden, mit einer bestimmten Krankheit oder einem Schicksalsschlag für ihren schlechten Lebenswandel bestraft zu werden. Wahrscheinlich hast du recht.“
    Margarete dachte einen Moment nach. „Sag mal, Dennis, hattest du am Telefon nicht angedeutet, der Schulpsychologe sei unfähig?“
    Der Lehrer schreckte auf. „Habe ich das gesagt?“ Er warf seiner Kollegin einen raschen Seitenblick zu.
    Margarete setzte einen treuseligen Blick auf. „Ja, das hast du gesagt, mein Lieber. Warum ist der Psychologe unfähig, und ich habe recht, obwohl wir unter dem Strich die gleiche Meinung vertreten, hm?“
    Dennis Harbach und Heidelinde Reich sahen sich an.
    Margarete ließ nicht locker. „Hat irgendjemand außer Sandra das Monster gesehen?“
    Dennis hob die Schultern. „Davon ist mir nichts bekannt.“ Möglicherweise klang es nicht ganz überzeugend. Möglicherweise bildete sie sich das auch nur ein.
    „Frau Reich?“
    „In meiner Klasse sieht niemand Gespenster.“
    „Das ist eine klare Antwort.“ Und auch wieder nicht , dachte Margarete bei sich.

5
    Zum ersten Mal kam Sandra absichtlich zu spät.
    Sie hatte schlecht geschlafen. Das Pentagramm des Agrippa, das sie unter ihr Kopfkissen gelegt hatte, drückte sie, und der Gedanke, es fortan zum Schutz jeden Tag bei sich zu tragen, gefiel ihr immer weniger, je länger sie darüber nachdachte. In den Morgenstunden kam sie zu dem Entschluss, dass Angriff die beste Verteidigung war. Anstatt wochenlang unsicher zu sein, ob das Amulett sie im Ernstfall wirklich retten würde, wollte sie Klarheit. Sie würde eine Begegnung mit dem Ungeheuer provozieren. Und kämpfen.
    Das sagte sich leicht dahin. Während sie über ihrem Frühstück saß, wurde ihr mulmig, und als sie sich von ihren Eltern verabschiedete und den Schulweg antrat, stieg das widerliche Gefühl in ihr auf, sie vielleicht zum letzten Mal gesehen zu haben. Eine Viertelstunde bummelte sie durch die Stadt, ging Umwege, hielt sich lange an Schaufenstern auf, die sie nicht interessierten, und streichelte ausgiebig eine verschmuste Tigerkatze. Das Amulett in ihrer Tasche war schwer wie Blei. Als sie es in die Hand nahm und betrachtete, zum ersten Mal unter freiem Himmel, kam es ihr wie ein wertloses

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