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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Stück Metall vor. Sie kam an einem Antiquitätengeschäft vorbei und bildete sich ein, in der Auslage ähnliche Stücke für ein paar lumpige Euro zu entdecken.
    Die Angst packte sie, und sie begann zu rennen, in der Hoffnung, die verlorene Zeit wieder aufholen und doch noch rechtzeitig eintreffen zu können. Doch dazu war es zu spät. Als sie die Schule erreichte, war es sieben Minuten nach acht.
    Sie verschnaufte kurz. Ging dann die Treppe in normaler Geschwindigkeit hinauf. Vor der sechsten Stufe von oben stockte sie. Längst hielt sie das Amulett in der Hand. Es lag verborgen in ihrer kleinen Faust.
    Noch eine Stufe. Und dann noch eine.
    Das Monster war da.
    Es war womöglich noch größer geworden. Täuschte sie sich, oder musste es den Kopf einziehen, um damit nicht gegen die Decke zu stoßen? Das dicke, zottige Fell schimmerte beinahe schwarz, und es bewegte sich, als befinde sich im Inneren nichts als heiße Luft.
    Verhielt es sich anders als sonst? Spürte es etwas?
    Sandra nahm die letzten Stufen eilig, doch die veränderte Perspektive tat nichts an seiner Größe. Bald müssen sie die Decke einreißen , dachte sie, sonst wird ihm die Schule zu eng. Ein verrückter Gedanke, der ihr in diesem speziellen Augenblick vollkommen realistisch vorkam. Wenn einem ein drei Meter großes, lebendiges Nichts in einem Bärenfell gegenüberstand, erschien einem plötzlich nichts mehr unmöglich.
    Das Mädchen streckte die Faust aus. Noch immer waren ihre Finger geschlossen.
    Das Ungeheuer schüttelte den Kopf ein wenig. Schwer zu sagen, was das bedeutete. Es hatte keine Mimik, und seine Gesten waren nicht die von Menschen oder Tieren, die sie kannte. Was würden die Lehrer tun, falls sie es jemals sahen? Würden sie es ins Biologie-Buch aufnahmen? Sandra hatte ihre Zweifel. Es passte nicht zu den Tieren und erst recht nicht zu den Pflanzen.
    Am meisten fürchtete sie sich davor, dass es eine dieser irrwitzigen schnellen Bewegungen vollführte. Wenn es das tat, brauchte es vom Ende des Flurs bis zu ihr weniger Zeit als sie zum Öffnen ihrer Faust.
    Heute achtete sie darauf, dass ihre Schritte besonders langsam, besonders schlurfend waren. Sie ignorierte die Tür des Klassenzimmers. Jetzt war diese erstmals nicht ihr Ziel. Das wandelnde Bärenfell schlurfte nicht, es wankte, aber es wankte langsam, und das war wichtig. Ihre Eltern waren mit ihr in den Zoo gegangen, um ihr die Angst vor Bären zu nehmen, wie sie sagten. Es half nichts, dass sie ihnen zu erklären versuchte, dass sie keine Angst vor Bären hatte. Eine Stunde lang hatte sie den Braunbären zugesehen, wie sie traurig durch die Gitterstäbe blickten, und als sie den Zoo verließen, hatte sie sich erstmals ein wenig vor diesen Geschöpfen gefürchtet. Aber mit dem Monster hatte das alles nichts zu tun.
    Die Neonröhren, die am Vortag kaputtgegangen waren, hatte man noch nicht ausgewechselt. Aber wenigstens flackerten sie jetzt nicht mehr, sondern waren ganz erloschen. Das Ungeheuer war ein riesiger dunkler Fleck – je näher es kam, desto weniger deutlich konnte man es erkennen. Das hatte sicher mit den Dingen zu tun, die die Furcht in Sandras Körper anstellte. Die Angst wühlte mit ungeschickten Händen in ihren Eingeweiden herum, drehte Ventile auf, drückte Adern zu, quetschte Organe und schob sie in Ecken, in die sie nicht hingehörten.
    Plötzlich wurde es schneller, obwohl sie nicht schneller wurde. Sicher tat es das, weil sie nicht die Tür anvisierte. Spätestens jetzt musste es verstanden haben, dass sie auf eine Konfrontation aus war. Falls es nicht ohnehin schon alles wusste, was sie dachte und plante.
    Zehn Meter noch, oder weniger. Wenn es ein Bär gewesen wäre, hätte man ihn riechen müssen. Aber es stank nicht wie im Zoo. Es roch einfach nur wie im Korridor einer Schule. Das zerzauste Fell schlug Wellen, als wäre das Wesen im Inneren aufgebracht, die grünen Augen glommen auf. Trotzdem schloss Sandra weiterhin die Finger um das Amulett. Sie war verhältnismäßig ruhig. Ja, ihr Herz raste, und ihr Magen krampfte sich zusammen, aber auf einer anderen, geistigeren Ebene war sie gefasst.
    Sie blieb stehen. Das Ungeheuer auch. Aber seine Tatzen hoben sich bis zur Decke, die Krallen kratzten dort entlang, und ein klein wenig Putz rieselte herab. Also würde man später Spuren finden. Das war gut. Wenn das Monster sie getötet hatte, würden die Leute von der Spurensicherung wenigstens die Furchen entdecken, die seine Krallen an der Decke

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