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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sie deinem Mitverschworenen übergeben hast, oder hältst du sie in der Bibliothek verborgen?«
    Bruder Donnán war kreidebleich geworden, sprang auf und setzte sich sofort wieder. Dann erhob er sich langsam. »Ich … ich verwahre mich dagegen!« stieß er hervor, doch überzeugend klang das nicht.
    »Deinen ersten Fehler begingst du mit einem von Bruder Donnchad beschriebenen Fetzen Pergament. Wir fanden ihn unter dem Fenster. Du machtest dir nicht die Mühe, ihn aufzuheben, oder das Stück war so klein, dass du es übersehen hast. Es standen auch nur wenige Worte darauf. Du, der du gewiss Donnchads Handschrift genauestens kanntest, hast geleugnet, dass die Zeilen von seiner Hand stammten. Doch Cunán, der zweite Bibliothekar in Faer Maighe, ebenfalls ein erfahrener Handschriftenkenner, konnte nicht nur bestätigen,dass wir Donnchads Schrift vor uns hatten, er wies auch darauf hin, in welch besonderer Art die Buchstaben geformt waren, und zeigte uns zum Vergleich Schriftstücke, die er von Donnchad erhalten hatte.
    Donnchad hatte die flehentliche Bitte niedergeschrieben, der Kelch möge von ihm hinweggenommen werden. Was für ein Kelch? Der Kelch seines Wissens. Dort, wo Bruder Donnchad mehrfach das Wort
Deicida
, Gottesmörder, geschrieben hatte, hat er nicht die Juden gemeint, die Christus töteten, sondern sich selbst, seine Nachforschungen, die seinen eigenen Glauben töteten. Er ahnte, was ihm zustoßen würde, und bediente sich sogar der Worte aus dem Lukas-Evangelium, denen zufolge Jesus in seiner Verzweiflung ausrief: ›Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir …‹ Es sollte ein bitterer Kelch für Bruder Donnchad werden. Fürwahr ein Blutkelch.
    Zurück zu Bruder Donnán. Er trachtete danach, uns von den Büchern abzulenken, mit denen sich Donnchad beschäftigte. Er entdeckte, dass sich die Originalhandschrift des Celsus in Faer Maighe befand. Wie es sich gerade ergab, hatte die Abtei Ard Mór um eine Abschrift davon gebeten, nachdem man dort die Erwiderung des Origenes gelesen hatte. Die Origenes-Arbeit hatte man sich hier in der Abtei entliehen, nachdem sich Bruder Donnchad mit ihr befasst hatte. Ein Bote, unterwegs zu zwei Abteien – Fionán’s Height und Ard Mór – tauchte in der hiesigen Bibliothek auf und ließ dabei die Meldung von der fertiggestellten Abschrift fallen, die man in den nächsten Tagen auf den Weg bringen würde. Der Bote hatte sich als erstes Ziel die Abtei Fionáns Height vorgenommen. Daher erbot sich der Heilkundige, Bruder Seachlann, der ohnehin Ard Mór aufsuchen wollte, ihm den einen Botenritt abzunehmen und die entsprechendeNachricht zu übermitteln. Bruder Donnán wurde Ohrenzeuge des Gesprächs und notierte sich die einzelnen Titel, allerdings in der Annahme, Faer Maighe würde die Originalhandschrift übersenden. Er gab seine Erkenntnis an jemanden weiter, der veranlasste, dass der Frachtkahn, mit dem die Handschrift nach Ard Mór befördert werden sollte, überfallen und die Abschrift geraubt wurde.«
    Fidelma legte eine Pause ein, Totenstille herrschte in dem weitläufigen Saal. Jedermann war aufs äußerste gespannt.
    »Der Überfall auf den Frachtkahn wurde so ausgeführt, dass es den Anschein hatte, Krieger vom Stamme der Uí Liatháin wären die Räuber. Warum, erkläre ich gleich.«
    Uallachán und Cumscrad wurden schon unruhig, enthielten sich aber jeder Äußerung.
    »Bruder Donnáns Mitverschworener oder sollte ich sagen, die Person, die der Hauptveranlasser all dieser Ereignisse war, erfuhr jedoch, dass sich das Original des Werks von Celsus weiterhin in Fear Maighe befand. Deshalb wurde ein Überfall auf die Bibliothek angeordnet, um auch diese Handschrift zu vernichten, wobei man sogar den Bibliothekar ermordete, der von den weiteren Zusammenhängen hätte wissen können. Erst als Cumscrad hier eintraf, entschlossen wir uns, nach Fear Maighe zu reiten.«
    »Warum hast du dich darin verstrickt, Bruder Donnán?«, fragte Fidelma den
scriptor
geradezu. »Du bist seit langem in dieser Abtei. Ich vermute, dass deine Bibliothek, dein
scriptorium,
dein ganzer Stolz war. Dein Stolz auf die Abtei war so groß, dass du fürchtetest, wenn ein Gelehrter von Bruder Donnchads Ansehen seine Zweifel am Glauben verlautbarte, würde das dem Ruf des Hauses schaden, den du zu mehren gedachtest. Dein Wunsch war es, die Abtei als eine der großen Lehrstätten der Christenheit zu etablieren.«
    Bruder Donnán hatte sich wieder gesetzt, die Hände vor dem Leib gefaltet,

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