Der Blutkelch
Zustimmung des Lehnsherrn tun, der ihr das Land überlassen hat. In dieser Hinsichtund auch sonst unterliegt eine Abtei den Gesetzen des Fénechus und dem Richterspruch der Brehons.«
»Allerdings zeichnet sich bereits eine neue Einstellung ab«, erläuterte Fidelma. »Die Übernahme der aus Rom kommenden Ideen wird spürbar. Klostergemeinschaften erhalten das Land voll und ganz als Eigentum, und das Kirchenrecht verdrängt unsere Gesetze. Äbte dünken sich so mächtig wie Stammeskönige.«
Dem Abt schoss Röte ins Gesicht. »Meine Abtei folgt den Gesetzen dieses Königreichs, Schwester, ungeachtet der …«, offenbar wollte er sagen: »… der von Bruder Lugna angestrebten Regeln.« Doch er brach ab und fuhr fort: »Das kannst du deinem Bruder, dem König, versichern. Als Bruder Gáeth in die Abtei eintrat, wurde er von Lady Eithne als ein
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in unsere Obhut entlassen. Sie war der Ansicht, das ursprüngliche Urteil sei von den Uí Liatháin gefällt worden, und nur unter dieser Bedingung könne er uns übergeben werden. Erst der Tod wird Gáeth von der Schuld entbinden, die ihm sein Vater aufgebürdet hat.«
»Oder der Freispruch des Abts«, wandte Fidelma ein.
»Wir können nur mit der Billigung der Gutsherrschaft handeln.«
»Wäre es nicht verständlich, wenn Bruder Gáeth einen Groll gegen sein Schicksal hegt, weiterhin verurteilt zu bleiben, erst von Lady Eithne und dann von dir?«, fragte Eadulf.
»Hat er sich deswegen bei euch beschwert?«, wollte der Abt wissen, der ärgerlich wurde.
Fidelma verneinte das sofort. »Wir haben zwar gespürt, dass er mit seinem Schicksal hadert, aber ausgesprochen hat er es nicht. Er wird gehofft haben, dass sich ihm ein anderes Leben eröffnet, wenn er ins Kloster geht, so, wie es viele andere erfahren dürfen.«
»Hat er euch seine Geschichte erzählt? Sein Vater Selbach hat einen Stammesfürsten der Uí Liatháin erschlagen und ist danach zu Lord Eochaid auf An Dún geflohen, der uns dieses Land zugesprochen hat.«
»Das hat er uns erzählt.«
»Lady Eithne, die Witwe von Eochaid, gestattete ihm, hierherzukommen, weil ihr Sohn Donnchad darauf bestand; doch die Festlegungen im Gesetz gelten nach wie vor. Ich habe mich bemüht, ihn voller Verständnis zu behandeln, so, wie ich auch jedem anderen der Brüder hier begegne, dennoch grollt er uns.«
»Hast du ernstlich etwas anderes von ihm erwartet unter diesen Umständen?«
»Eigentlich nicht«, räumte Abt Iarnla widerwillig ein.
»Du kannst seinen Stand nicht verändern, sagst du, wegen Lady Eithne.«
»Sie lässt nicht mit sich reden.«
»Könnte ein
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nicht auch anders beschäftigt werden, als immer nur auf dem Feld zu ackern oder sich sonst abzuplagen? Empfänglich für anderes ist er doch und scheint auch zu anderem fähig zu sein.«
»Für etwas empfänglich zu sein, heißt ja nicht, auch ausreichend gebildet zu sein.«
»Er sagt, er kann lesen und schreiben und versteht sogar ein bisschen Latein.«
»Wir haben ihn geprüft, doch leider reichen seine Kenntnisse nicht, ihm verantwortungsvollere Aufgaben zu übertragen.«
»Ihr habt ihm gewiss Gelegenheit gegeben, sein Wissen zu erweitern?«
Abt Iarnla lächelte wehmütig. »Wir sind doch keine Unmenschen, Fidelma. Wir haben einiges versucht. Er kannund weiß so viel wie ein Schuljunge. Doch weiter zu lernen ist ihm nicht gegeben. Über einen gewissen Anfangsstand kommt er nicht hinaus. Er ließ sich zu rasch entmutigen, bekam mitunter Wutanfälle, wie sie Kinder eben kriegen. Bruder Donnchad gelang es jedes Mal, ihn zu beruhigen.«
»Er hat uns berichtet, Bruder Donnchad hat ihm Lesen und Schreiben beigebracht«, bestätigte Eadulf.
»Es muss dich befremdet haben, dass Bruder Donnchad sich ausgerechnet Gáeth als Seelenfreund ausgesucht hat«, bemerkte Fidelma verständnisvoll.
»Sonderbar war es schon, dass jemand, der so klug und gebildet war wie Donnchad, darauf bestand, eben eine solche Person zu seinem geistigen Partner zu wählen. Gewiss, Gáeth hatte auf den Länderein seiner Mutter gearbeitet, sie waren zusammen aufgewachsen und hatten zusammen gespielt. Aber dass Gáeth in der Lage sein sollte, Donnchad in seelischer Hinsicht zu führen, wollte mir nicht in den Kopf.«
»Zugegeben, es war eine merkwürdige Partnerschaft. Hat sich Cathal je daran beteiligt?«
»Cathal war älter als Donnchad. Mit Gáeth hat er sich nie viel abgegeben.«
»Was passierte, als Cathal und Donnchad zu ihrer Pilgerfahrt ins Heilige Land
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